: „Bei Platzeck ist der Lack ab“
Die Förderpolitik der Großen Koalition in Potsdam ist nach wie vor eine Politik von oben, kritisiert Axel Vogel, der Landeschef der Grünen. Auf mögliche Neuwahlen in Brandenburg ist die Partei vorbereitet
Interview UWE RADA
taz: Herr Vogel, der Brandenburger Landtag wird heute den Haushalt 2007 verabschieden. Wenn die Grünen im Parlament säßen, würden Sie dem Entwurf zustimmen?
Axel Vogel: Auf keinen Fall.
Warum nicht?
Schon deshalb, weil in diesem Entwurf die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung sang und klanglos untergegangen sind. Die Möglichkeiten, die Nettokreditaufnahme zu reduzieren, wurden bei weitem nicht ausgeschöpft.
Ist der Entwurf von Finanzminister Rainer Speer auch Ausdruck einer falschen Politik der großen Koalition?
Schon bei der Förderpolitik zeigt sich: Die Mittel werden in die falschen Kanäle gelenkt. Nach wie vor konzentriert man sich auf Straßenbau und andere harte Infrastrukturprojekte. Für die kleinen und mittelständischen Unternehmen gibt es zu wenig Mittel. Für alternative Energien erst recht.
In Brandenburg stehen überall Windräder.
Bei der Windenergienutzung sind wir immer noch vorne, das stimmt. Durch das unveränderte Festhalten der Landesregierung an der Braunkohleförderung ist Brandenburg inzwischen aber zum klimapolitischen Schmutzfinken Nummer eins in Deutschland geworden.
Welche Alternativen gäbe es?
Es kann nicht damit getan sein, dass man die alternative Energieerzeugung ausbaut. Man muss gleichzeitig auch fossile Energieträger als Energiequelle abbauen. Bei den nachwachsenden Rohstoffen, der Energieeffizienz und der Energieeinsparung gibt es außerdem viel Potenzial.
Auch wenn der Zuwachs an erneuerbaren Energien den Verlust an fossilen Quellen nicht ausgleicht?
Es gibt von Vattenfall eine Studie, derzufolge die Ressourcen im Braunkohletagebau nur noch 27 Jahre reichen. Schon allein deshalb lässt sich die Politik der Landesregierung nicht unbegrenzt fortsetzen.
Ein weiterer Schwerpunkt der großen Koalition ist die Neuausrichtung der Förderpolitik auf Wachstumskerne …
… die wir als völlig falsch ablehnen.
Warum?
In den so genannten 15 Wachstumskernen werden fast nur Infrastrukturmittel verteilt. So werden im Wachstumskern Prignitz praktisch die gesamten Mittel in den Straßenbau gesteckt. Das ist natürlich zu wenig. Der zweite Bestandteil der Förderpolitik, die Ausweisung von 70 Branchenstandorten, führt dazu, dass es die Potenzialförderung für Solarenergie zwar in Fürstenwalde, nicht aber in Frankfurt (Oder) gibt, obwohl sich dort gerade drei neue Solarfabriken ansiedeln.
Die bisherige Politik der dezentralen Konzentration ist aber auch gescheitert.
Das Konzept ging davon aus, dass der Wachstumskern Berlin ausstrahlt und auch entlegene Regionen in Brandenburg mitzieht. Das hat nicht funktioniert. Was man jetzt macht, ist nichts anderes, als neue Zentren der dezentralen Konzentration zu bestimmen und diese dann Wachstumskerne zu nennen. Der Unterschied ist, dass einige von denen nun im Umland von Berlin liegen. Das ist maßvolles Umsteuern, aber kein grundsätzlich anderes Konzept.
Wie würde ein solches Konzept aussehen? Die Abwanderung aus der Uckermark oder der Lausitz ist doch Fakt.
Bei der Vergabe von Förder- und Investitionsmitteln sollte man stärker auf regionale Entwicklungskonzepte setzen. Die müssen aus den Regionen heraus entstehen. Da kann man durchaus einen Wettbewerb machen und die besten Konzepte fördern.
So wie in Großbritannien, wo es regionale Entwicklungsagenturen gibt und Regionalpolitik ein Querschnittsthema ist. Warum tut sich Brandenburg damit immer noch so schwer?
Mit dem Regioaktiv-Wettbewerb der damaligen grünen Bundesverbraucherministerin Renate Künast gab es auch in Brandenburg erste Ansätze. Mit der jetzigen Förderpolitik aber wird ein Großteil der Regionen ausgeschlossen. Das ist nach wie vor eine Politik von oben.
Was wird das für Folgen haben?
Neben dem abgehängten Prekariat wird es auch abgehängte Regionen geben. Unternehmer und junge Familien werden sich natürlich genau überlegen, ob sie in eine solche Region ziehen werden, wenn ihnen von vornherein demonstriert wird: Da wird nichts mehr passieren.
Die Brandenburger Grünen sind mit ihrem Spitzenkandidaten Wolfgang Wieland 2004 mit 3,6 Prozent an der Fünfprozenthürde gescheitert. Die Wähler haben Ihre Ideen also nicht honoriert. Warum?
Es war die spezifische Wahlkampfsituation. Matthias Platzeck hatte gedroht, falls die PDS mehr Stimmen bekomme als die SPD, werde er nicht mehr als Ministerpräsident zur Verfügung stehen. Ergebnis: Die SPD hat 3,3 Prozent mehr Zweit- als Erststimmen bekommen und auch uns viele Stimmen abgenommen. Bei den Bundestagswahlen hatten wir dagegen 80.000 Stimmen, das entspricht 5,1 Prozent. Das Potenzial ist da. Zumal bei Platzeck der Lack ab ist.
Wenn im Januar Sven Petke neuer Landesvorsitzender der CDU werden sollte, kann es sein, dass die große Koalition platzt. Sind die Grünen darauf vorbereitet?
Ich möchte nicht ausschließen, dass die Koalition platzt. Allerdings glaube ich, dass die SPD in ihrem derzeitigen Zustand keine Neuwahlen anstreben, sondern unmittelbar in eine Koalition mit der PDS einschwenken würde. Gäbe es tatsächlich Neuwahlen, wären wir als wachsender Landesverband gut aufgestellt.
Mit wem würden Sie in diesem Fall in den Wahlkampf ziehen?
Das kann ich Ihnen noch nicht verraten. Ich gehe aber davon aus, dass wir eine Spitzenkandidatin aus Brandenburg und nicht aus Berlin haben werden.