piwik no script img

Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Dreck zu Geld gemacht

■ betr.: „Die Spitze des Eibergs“, „Erst füttern, dann fragen“ u. a.,taz vom 6. 1. 11 ff

Geht es wirklich „nur“ um Dioxin im Ei? Nein! Weder Puten noch Schweine legen Eier. Es geht um Lebensmittel und die Art und Weise, wie sie produziert werden. Es geht darum, dass Tiere, des schnellen Profits wegen, mit billigstem Abfall gefüttert werden. Es geht darum, dass das Verbraucherinformationsgesetz das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt ist. Es geht darum, dass die Verbraucher tagelang nicht informiert wurden, obwohl es möglich gewesen wäre.

Spätestens am 23. Dezember 2010 war den Behörden auch in Niedersachsen bekannt, dass Lebensmittel in den Verkaufsregalen lagen, die zum Verzehr nicht zugelassen sind. Geschehen ist nichts! Erst nachdem ein Großteil dieser Lebensmittel über die Festtage verbraucht war und die Umsätze gemacht waren, ließ man die Katze aus dem Sack.

Genauso schlimm ist es, dass keine Namen genannt werden. Welche Betriebe haben dieses Billigfutter verwertet? In welchen Supermärkten sind die Produkte gelandet? Lieber nimmt man in Kauf, dass nun pauschal alle Produzenten von Eiern und Fleisch in Misskredit gebracht werden. Die überwiegende Mehrheit der bäuerlichen Betriebe arbeitet sauber und liefert gute Ware in den Handel. Sie sind es aber, deren Existenz nun auf dem Spiel steht. Die industriellen Großbetriebe werden den Verlust wegstecken und, wenn sich nicht schnellstens etwas ändert, lustig weiter Dreck zu Geld machen. FRANZISKA JUNKER, Neukamperfehn

Synergie vom Feinsten

■ betr.: „Die Spitze des Eibergs“, taz vom 6. 1. 11

Richtig, akut besteht keine Gefahr, wenn ich mein Frühstücksei esse, welches möglicherweise mit Dioxin belastet ist. Sonst müsste ich ja nach dem Frühstück tot umfallen oder wenigstens krankenhausreif sein. Und der Verbraucher, das eigentliche Opfer dieses Skandals, wird zum Täter, denn er will ja möglichst wenig für seine Nahrungsmittel ausgeben.

Hallo? Die Lebensmittelindustrie macht uns vor, wie wunderbar mit Synergieeffekten Profit zu machen ist. Dass Dioxin ein Gift ist, welches in unserer Umwelt auftaucht – ob natürlich oder anthroprogen verursacht ist hier nebensächlich –, scheint in der Diskussion völlig vergessen zu werden. Welche Synergieeffekte hat dieses eine Gift, wenn es mit den vielen anderen Stoffen, denen wir uns täglich aussetzen, in unseren Körpern eine Verbindung eingeht?

Wir müssen die Vertrauensfrage neu definieren, denn überall wo der schnöde Mammon eine Rolle spielt, wird ein Völkermord auf Raten akzeptiert. Wenn wir dann in 15, 20 oder auch erst 30 Jahren an unseren Krankheiten verenden, dann haben wir hoffentlich die, die nach uns kommen, ein wenig entlastet (Sozialsystem) und ein System, das uns krank macht, wunderbar unterstützt. Das ist doch Synergie vom Feinsten. EDITH RHODEN, Bremen

Kreaturverachtende Geldmacherei

■ betr.: „Wie das Gift ins Ei kam“, taz vom 5. 1. 11

Und immer noch werden neue Tierzuchtbetriebe aus dem Boden gestampft, obwohl jeder sieht, wohin die Billigfresserei führt. Fördermittel von EU, Bund und Ländern werden den sogenannten Landwirten aus den Tierzuchtkonzernen angedient und hinterhergeworfen, wenn sie etwa (wie im östlichsten Zipfel Vorpommerns beantragt) 400.000 Hähnchen in qualvoller Enge gleichzeitig innerhalb von 35 Tagen vom Küken zur Grillreife dickfüttern. Bereitwillig machen die Behörden überall in Norddeutschland diese Verschleuderung von Steuergeldern mit und wundern sich dann über Dioxinskandale. Dass die Umstände der Genehmigung einer solchen kreaturverachtenden Geldmacherei der eigentliche Skandal sind, sollten alle Medien thematisieren, die jetzt fünf Tage lang über den aktuellen Fall berichten.

Am 22. Januar findet in Berlin eine bundesweite Demo gegen diese ebenso unmenschliche wie untierische Massentierhaltung statt. DIETER SCHWARZ, Schwerin

Interessengeleitete Politik

■ betr.: „Im Netz der Kassenärzte“, taz vom 11. 1. 11

Die Onlinisierung im Gesundheitswesen dient genauso der Schaffung von Zuwendungszeit für die Patienten wie der elektronische Personalausweis dem Bürokratieabbau und der Erhöhung der Freizeit der Bürger. Mir erscheint der Zweck dahinter eher die Erhöhung der Verdienstspanne der Anbieter der elektronischen Dienste, Kartenhersteller und verwandter Branchen. Wenn dann demnächst „aufgrund zuvor nicht vorstellbarer Lücken im System“ die ersten Abrechnungsdaten auf dem Markt kursieren, empört euch dann bitte nicht über „Sicherheitslücken“. Interessengeleitete Politik bestimmt das Gesundheitswesen, und das sind in der Regel nicht die Interessen der Kranken. MICHAEL KUHN, Berlin