„Kaufen wir Nordkoreas Plutonium“

Die Führungen in den USA und Nordkorea misstrauen einander. George Bush muss Kim Jong Il ein gutes Angebot machen, fordert Peter Beck von der International Crisis Group. Dann haben die neuen Gespräche eine Chance

taz: Herr Beck, nächsten Montag werden die Sechs-Länder-Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm fortgeführt. Was erwarten Sie davon?

Peter Beck: Nicht viel. Seit der letzten Gesprächsrunde 2005 haben die Unstimmigkeiten zugenommen: Die UNO verhängte Sanktionen gegen Nordkorea, die USA blockierten Konten und wollen nordkoreanische Schiffe auf hoher See inspizieren.

Nordkorea tritt seit dem Atomtest im Oktober als Atommacht auf. Was bedeutet das für die Verhandlungen?

Es ist sehr gut möglich, dass die Nordkoreaner als Erstes erklären: Wir sind jetzt Atommacht – wir können über Abrüstung reden, aber ein Stopp unseres Atomprogrammes steht nicht zur Debatte. Umgekehrt werden auch die USA härtere Saiten aufziehen. Kurzum: Es gibt keine Möglichkeit für substanzielle Fortschritte. Wir können nur hoffen, dass die Gespräche nicht abbrechen – weil sich die Bush-Regierung nach den verlorenen Kongresswahlen das nicht leisten kann und Nordkorea Druck von China bekommt.

Wird Nordkorea jemals bereit sein, seinen Status als Atommacht aufzugeben?

Konservative behaupten: Niemals! Eingefleischte Liberale wie Südkoreas Alt-Präsident Kim Dae-jung glauben, Nordkorea wolle unbedingt ein Abkommen. Ich plädiere für eine neutrale Optik: Wir wissen es nicht, bis ein attraktives Verhandlungsangebot auf dem Tisch liegt und von Nordkorea zurückgewiesen wird.

1994 machte US-Präsident Bill Clinton ein sehr attraktives Angebot: Energie für Nordkorea, wenn das Land sein Plutoniumprogramm einfriert. Ein Abkommen wurde im gleichen Jahr unterzeichnet – und nicht eingehalten. Nordkorea reicherte im Geheimen Uran an, der Vertrag platzte. Die USA haben es also versucht.

Wie Sie das Abkommen von 1994 beurteilen, hängt vom politischen Standpunkt ab. Republikaner sehen es als totalen Fehlschlag, die Demokraten sagen, immerhin stoppte Kim Jong Il während Clintons Präsidentschaft sein Plutoniumprogramm. Die derzeitige US-Regierung lehnt einen ähnlichen Vertrag ab. Derweil verstreicht die Zeit und Kim Jong Il stockt seine Vorräte von waffenfähigem Material auf. Nordkoreas Führung sagt sich vermutlich: Von George Bush erhalten wir nicht, was wir wollen – warten wir ab, bis die Vereinigten Staaten 2008 einen besseren Präsidenten wählen.

Also begegnen sich die Lager mit abgrundtiefem Misstrauen.

Ja, und dies würde unter einem demokratischen US-Präsidenten nicht anders sein. Doch Bush hat öffentlich bekundet, er verabscheue Kim Jong Il. Wer so intensiv von Gefühlen geleitet wird, hat es schwierig, eine rationale Diplomatie zu entwickeln. Doch genau das wäre jetzt nötig.

Also verhandeln, obwohl Nordkorea frühere Abkommen missachtet hat?

Ja, denn es gibt keine bessere Option. Ich schlage vor: Kaufen wir Nordkoreas Plutonium. Jene, die für ein neues Abkommen eintreten, bezichtigt man der Nachgiebigkeit. Aber was ist die Alternative? Zuschauen, wie Nordkorea sein Bombenarsenal aufstockt und womöglich verkauft?

Nach den UNO-Sanktionsbeschlüssen und Druck aus Peking meldete sich Nordkorea zum Dialog zurück. Also bewegt sich Kim Jong Il nur, wenn er die Daumenschrauben spürt.

Wir brauchen eine Mixtur von Zuckerbrot und Peitsche. Südkoreas Rezept besteht aus Zuckerbrot pur: Mit Nordkorea funktioniert das nicht. Aber, wer einzig mit der Peitsche schwingt, erreicht ebenfalls nichts. Seoul, Washington und Peking – die drei wichtigsten Verhandlungsteilnehmer – sind nicht in der Lage, beide Instrumente aufeinander abzustimmen. Südkorea will Kooperation. China will Stabilität, also nur keinen Kollaps in Nordkorea, der hunderttausende Flüchtlinge verursachen würde. Amerika will ein Nordkorea ohne Atomwaffen. Was immer Kim Jong Il anstellt – diese fundamentalen Interessenunterschiede zwischen Washington, Seoul und Peking sind nicht aus der Welt zu schaffen.

Womit würde Kim Jong Il den Bogen überspannen, sodass die Chinesen ihn fallen lassen?

Sie werden das nicht tun. Und das weiß Kim Jong Il. Die Chinesen werden für ein paar Tage das Öl abstellen, aber ihn nicht zum Teufel jagen. Einen Kollaps Nordkoreas fürchten die Chinesen mehr als eine weitere Atommacht zum Nachbarn.

Japan und Südkorea diskutieren, sich ebenfalls mit Atomwaffen zu schützen. Droht ein atomares Wettrüsten?

Nein. Solange die USA unter ihrem Atomschild Schutz gewähren, müssen sich Südkorea und Japan die finanziellen und politischen Kosten eigener Atomwaffen nicht aufbürden. Allerdings stärkt die Bedrohungslage den Appetit auf konventionelle Waffen.

INTERVIEW: MARCO KAUFFMANN