: Westlich zentrierte Weltsicht
betr.: „Der Orient-Express“ über den Sender Al Jazeera English, taz vom 8. 12. 06
Ich war neugierig auf den Al-Jazeera-Artikel, weil ich – entgegen der allgemeinen Tendenz in der deutschen Presse – von euch eine wenigstens einigermaßen ausgewogene, nicht explizit araber- und islamfeindliche Besprechung des Programms erwartet habe.
Aber anstatt zu thematisieren, dass Al Jazeera English ein wichtiger (wenn auch kleiner) Schritt zu einem gegenseitigen Verständnis sein kann, gibt es peinliche Plattitüden, infame Unterstellungen und herablassende Bewertungen. Es scheint auch bei euch untergegangen zu sein, dass die arabische Welt durchaus ein Recht hat, die Dinge anders zu sehen. Vielleicht machen ja Israel und die westliche Welt „Fehler“? Sogar ohne Anführungszeichen? Vielleicht darf man ein anderes Verhältnis zu Sexualität und Religion haben, als „wir“ es hier haben? Was ist daran schlimm, darüber zu berichten, wie furchtbar es ist, in der westlichen Welt zu leben, wenn man mit Vornamen Ussama heißt? Inzwischen ist es oft genug sogar schlimm, als Muslim in der westlichen Welt zu leben, wenn man einfach nur Mohammed oder Fatima heißt. Darüber muss man offen sprechen dürfen. Die Autorin hält es aber offenbar nur dann für gerechtfertigt, offen und frei zu berichten, wenn dies aus der Perspektive der „korrekten“, westlich zentrierten Weltsicht geschieht.
Ich frage mich wirklich, was die arabische Welt eigentlich noch tun soll, um wenigstens angehört und in ihrer Eigenständigkeit wahrgenommen zu werden. ANNETTE BÖCKER, Köln