: Kein Schenkelklopfen
KULTURELLE VIELFALT Zum dritten Mal wollen die Privattheatertage unter Beweis stellen, dass nicht-staatliche Bühnen in Deutschland mehr zu bieten haben, als bloß intellektuelle Resterampen zu sein
VON ROBERT MATTHIES
Sie locken mit rund anderthalb Millionen Besuchern im Jahr in Hamburg doppelt so viele Menschen ins Theater wie die staatlichen Bühnen, leisten mit ihren unterschiedlichen Profilen einen wichtigen Beitrag zur Vielfalt der Theaterlandschaft, engagieren sich in ihren Stadtteilen, bieten der freien Szene Spielstätten und dem Nachwuchs Räume, sich auszuprobieren. Und doch könnte es um den Ruf privater Theater besser stehen.
35 davon gibt es in Hamburg, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt, darunter mit dem Ernst Deutsch Theater und dem Schmidt Theater die größte und die erfolgreichste privat geführte Bühne des Landes. Über ihre wirtschaftliche besteht kein Zweifel. In der öffentlichen Wahrnehmung aber werde ihre Bedeutung immer noch verkannt, klagen viele Betreiber: Hartnäckig heiße es immer wieder, sie seien nicht viel mehr als intellektuelle Resterampen oder Schenkelklopfbühnen.
Dem Missverhältnis zu begegnen und „die hohe Leistungskraft der Privattheaterszene in Deutschland unter Beweis zu stellen“, sind 2012 erstmals die Privattheatertage angetreten. Initiiert hat das Festival der Multi-Intendant Axel Schneider (Hamburger Kammerspiele, Altonaer Theater, Harburger Theater, Haus im Park), gefördert wird es mit einer knappen halben Million Euro vom Bund.
Die Resonanz im dritten Jahr ist beachtlich: Fast jedes dritte der 280 deutschen Privattheater hat sich diesmal mit einem Stück beworben, insgesamt 82.000 Kilometer ist die Jury gereist, um aus den Bewerbungen 12 Stücke zu nominieren. In drei Kategorien – Moderne Klassiker, zeitgenössisches Drama und Komödie – konkurrieren sie um den undotierten Monica-Bleibtreu-Preis. Verliehen wird außerdem ein Publikumspreis für das beliebteste Stück.
Zu sehen ist bis Ende Juni ein Querschnitt durch das ganze Spektrum privaten Theaterschaffens. Vor allem zwei Häuser beweisen dabei, dass trotz eingeschränkter Mittel auf hohem Niveau produziert werden kann: Bereits zum dritten Mal nominiert ist die Bremer Shakespeare Company, die mit ihrer aktuellen Inszenierung „Romeo und Julia“ zu sehen ist. Schon in den letzten zwei Jahren hat das selbstverwaltete Kollektiv den Preis in der Kategorie Moderne Klassiker gewonnen.
Auch das Wolfgang Borchert Theater aus Münster ist bereits viermal nominiert worden, zu Gast ist es diesmal mit Matthieu Delaportes und Alexandre de la Patellières „Der Vorname“.
Erstmals wird unter dem Motto „Das ist hier kein Privatvergnügen!“ im Rahmen des Festivals auch diskutiert: Ob die Beliebtheit und die Bedeutung der deutschen Privattheater in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer öffentlichen Wahrnehmung und Förderung stehen. In Hamburg etwa bekommen private Theater auch nach der Aufstockung der entsprechenden Förderung gerade mal zehn Prozent der Mittel aus öffentlicher Hand.
■ Di, 17. 6., bis So, 29. 6., Infos und Programm: privattheatertage.de