WM-AUFTAKT MIT CAIPI UND TISCHPARADEN : Eu sou Brasileiro
VON SUSANNE MEMARNIA
Es gibt ja verschiedene Meinungen zum gemeinschaftlichen Gucken von Fußballspielen – vulgo: Public Viewing. Die einen lieben, speziell seit dem Sommermärchen 2006, die ganz große Crowd, mit Riesenleinwand und schwarz-rot-gelber Komplettmontur. Dann gibt es die Profis, für die Rudelgucken oft ein Graus ist – vor allem wegen der Kommentare von ahnungslosen Nebensitzern. Und dann gibt’s Leute wie mich, die sich alle zwei Jahre (EM und WM!) vom gemeinschaftlichen Gucken anstecken lassen, aber aus antideutschen oder sonstigen Gründen eher für die Underdogs fiebern – oder die besser Aussehenden. Oder für die Brasilianer, weil die ja schon die WM an der Backe haben und jetzt auch was davon haben sollen.
Für Rudelgucker mit Faible für die Gastgebernation empfiehlt sich das Café do Brasil am Platz der Luftbrücke. Das kleine Restaurant mit Strohdachimitat und Holzmöbeln strahlt eine Gemütlichkeit aus, die in der öden Umgebung besonders auffällt. Kurz vor 21 Uhr wirkt der überdimensionierte Platz wie ausgestorben, nur vor der Shisha-Bar nebenan sitzen zwei Männer mit ihrem Pfeifchen.
Um diese Zeit ist das Restaurant von Alda Santos schon gut gefüllt – was die Besitzerin freuen dürfte. Denn nicht aus Fußballleidenschaft zeigt sie die WM, sondern weil sie „ihren Lebensunterhalt“ verdienen muss, wie sie dem Tagesspiegel verriet. Für die taz ist sie am Donnerstagabend nicht zu sprechen. „Sie hatte heute schon vier Interviews und ist erschöpft“, erklärt ein Kellner und weist mir einen Platz auf der letzten freien Bierbank vor dem Lokal zu – neben zwei Kollegen vom Tagesspiegel und der Fußballwoche. Die Sichtbedingungen sind gut: ein Flachbildschirm draußen, einer drinnen. Aber wohl kaum deswegen ist der Laden an diesem Tag ausgebucht. Das Publikum ist deutsch-brasilianisch, wobei der eine Teil zahlenmäßig überlegen ist und der andere optisch. Wer sich mit Feijoada (Bohneneintopf), Moqueca (Fischeintopf) und Caipirinha kulinarisch nach Brasilien beamen oder auch schönen Brasilianerinnen beim Freudentanzen zusehen will, ist hier goldrichtig. Jedes Tor der Seleçao wird mit einer Parade um die Tische gefeiert, bei der eine doppelläufige Tröte zum Einsatz kommt – die Vuvuzela dieser WM? Auch die Chefin sorgt für gute Stimmung: Schon vor dem Anpfiff tritt sie, sichtlich erholt vom Interviewmarathon, im gelb-grünen Trikot vor die Gäste und stimmt mit den „echten“ Brasilianern die Fußballhymne von 1998 an: „Eu sou Brasileiro“. Da kommt auch bei den deutschen Altherren am Nebentisch Freude auf. ■ Haupteingang: Dudenstraße 2, U-Bahnhof Platz der Luftbrücke ■ Heimmannschaft: Brasilien ■ Gästeblock: Deutschland ■ Stadionimbiss: Caipirinha, diverse Biere, Moqueca, Feijoada ■ Ersatzbank: Shisha-Bar Aiva, Dudenstraße 6 ■ Rote Karte: Ungeduldige und sehr Durstige (Service ist etwas lahm)