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Archiv-Artikel

Eine künstliche Idylle

MAUER IN DAHLEM

Niemand hat Schaden genommen

Es sei doch, sagt der Kollege, eigentlich eine Win-win-Situation, das mit der Mauer um ein Kinderspielgelände in Zehlendorf. Die BewohnerInnen der Villen und Apartments der Luxuswohnanlage mit dem vielversprechenden Namen „Fünf Morgen Dahlem Urban Village“ hätten ihre gewünschte Ruhe vor dem Kinderlärm, die Kinder und Jugendlichen könnten uneingeschränkt weiterspielen. Zudem solle die Mauer – fünf Meter hoch wird sie – von innen, also auf der Seite der Kinderspielsplätze, ja auch schön begrünt werden.

Ja, so kann man das sehen. Niemand hat Schaden genommen, keiner muss verzichten: die Anwohner nicht auf die teuer erkaufte ruhige Wohnlage, die Kinder nicht auf das in der Großstadt nicht leicht zu habende Draußen-Spielen. Warum lässt die Geschichte dennoch so einen trüben, irgendwie bedrückenden Eindruck zurück?

Vielleicht, weil sie so eindrücklich klar macht, wer hier in der Stadt das Sagen hat – und wer nicht. Wer Geld und Macht hat, richtet sich ein, wie er’s haben will – die anderen müssen sich dann mit den Ergebnissen arrangieren und froh sein, wenn man sie nicht ganz beiseiteschiebt.

Vielleicht auch, weil sich diese Haltung hinter so romantisierenden Begriffen wie „Urban Village“ verbirgt. „Herz des Projektes“, heißt es auf der Werbewebseite, „ist der naturnahe See mit fünf Wasserarmen, die von Waldkiefern umsäumt sind. Auf den entstandenen Halbinseln werden die Gebäude individuell in der der märkischen Seenlandschaft nachempfundenen Natur platziert.“ Eine „naturnahe“, künstliche Idylle, ein Dorf – aber eines ohne Kinder.

Tatsächlich findet sich auf der Webseite des Projekts nur ein Bild, auf dem deutlich ein Kind zu sehen ist. Es ist ein kleines Mädchen von vielleicht drei Jahren, blond gelockt, das sich mit beiden Armen ans Bein einer Frau klammert, von der nur die untere Hälfte zu sehen ist. Das Kind schaut aus einem bodentiefen Fenster nach draußen, sein Blick wirkt traurig. Vielleicht weiß es schon, dass es in der naturnahen Schönheit dieses echter Idylle nur nachempfundenen Villages später leider nicht draußen spielen darf. ALKE WIERTH