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Archiv-Artikel

Friede auf Erden – auch ohne Tannenbaum

Wie stehen die Bahá’i zu Weihnachten? „Wir könnten die Geburtstage aller Religions-Offenbarer feiern, den von Mohammed genauso wie den von Jesus“, sagt Christiane Noltenius von der Bremer Bahá’i-Gemeinde. Für sie ist der Verstand eine der größten Gaben Gottes

Von kawe

Viele Menschen wissen nichts von den Bahá’i. Das ist die jüngste der Weltregionen. Unser Glaube gründet sich auf den Religionsstifter Bahá’u’lláh, das ist ein arabischer Name und heißt „Herrlichkeit Gottes“. Er hat in Persien gelebt und Mitte des 19. Jahrhunderts eine neue Religion offenbart. Er hat verkündet, dass alle Religionen von einem einzigen Gott kommen. Diesen Gott können wir nicht näher beschreiben. Er ist unbegreiflich. Er schickt den Menschen von Zeit zu Zeit Boten, die eine aktuellere Version des gemeinsamen Glaubens überbringen. In der Bahá’i-Religion finden sich also Dinge, die ans Christentum erinnern oder an den Islam, ans Judentum – alle heiligen Schriften dieser Religionen sind für uns heilig, weil sie von Gott offenbart wurden.

Aber wir richten uns nach den Schriften des Bahá’u’lláh, die im Original erhalten sind. Religion bedarf in größeren Zeitabschnitten der Erneuerung. In den Schriften des Bahá’u’lláh finden wir die zeitgemäße Offenbarung. Das ist wie in der Schule: Ein Lehrer, der in der ersten Klasse unterrichtet, kennt zwar die höhere Mathematik, aber er kann den Kindern nur das beibringen, was ihrem Verständnis entspricht. Zum Beispiel ist für uns die Gleichstellung der Frau eine Selbstverständlichkeit.

Was machen Bahá’i an Weihnachten? Das könnte in jeder Familie anders aussehen. Für einen Bahá’i ist das der Geburtstag eines Offenbarers Gottes. Den Geburtstag von Mohammed könnten wir genauso feiern. Die Geburtstage der verschiedenen Offenbarer spielen in der Bahá’i-Religion keine große Rolle, sonst würden wir das ganze Jahr feiern. Wir feiern den Geburtstag von Bahá’u’lláh am 12. November. Das ist für alle Bahá’i das große religiöse Fest.

In der Bahá’i-Gemeinde finden Sie Menschen, die in einer islamischen Welt aufgewachsen sind, andere sind wie ich christlich erzogen. Als wir vor zwölf Jahren unseren Kindern – es war gerade Januar, kurz nach Weihnachten – erklärt haben: Wir werden Bahá’i, da war die erste Frage: Feiern wir dann kein Weihnachten mehr? Wir feiern bis heute Weihnachten, aber wir schenken uns nichts. Wir beten, wir lesen die Weihnachtsgeschichte. Wir hatten ein paar Jahre lang auch einen Tannenbaum. Heute nicht mehr. Wir verreisen auch oft am ersten Feiertag. Als Bahá’i ist mir bewusst, dass der Tannenbaum nichts mit Religion zu tun hat, nichts mit der Geburt Jesu. Sicher ist das vielen Christen auch bewusst.

Wie man dazu kommt, Bahá’i zu werden? Ich bin katholisch aufgewachsen. Mein Mann – der ist heute Sprecher des geistigen Rates der Bahá’i in Deutschland – kommt aus einer protestantischen Familie. Sein Bruder ist Leiter der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche in Bremen, also sozusagen deren Geschäftsführer. Als wir erklärten, dass wir Bahá’i werden, gab es in der Familie eine Auseinandersetzung, aber es hat uns einander näher gebracht. Ich habe seit der Schulzeit wenig mit Religion anfangen können, aber ich war dennoch gläubig. Ich habe immer zwischen Kirche und Glauben unterschieden. Wir haben uns als Familie auch immer mit dem Glauben beschäftigt. Und wir haben in der Bahá’i -Religion eine geistige Heimat gefunden, in der man Glauben heute leben kann. Es gibt da Antworten auf Fragen, mit denen ich in der katholischen Kirche nicht zurecht kam, etwa das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes. Bahá’u’lláh sagt, dass der Verstand eine der größten Gaben Gottes ist. Wissenschaft und Religion sind zwei Seiten derselben Wahrheit. In der Bahá’i-Religion ist es der Auftrag der Menschen, weltweit eine Kultur des Friedens aufzubauen. Und es ist verheißen, dass es Frieden geben wird. Das hat mich sehr angesprochen. Protokoll: kawe