Im Glanze des Vitello Tonnato

Natalie Tenbergs Gastrokritik: Doch, doch, doch, Berlin-Carlottenburg gibt es noch. Das Stella Alpina dort füllt den Raum zwischen Edel- und Billig-Italiener

Fast jeder Bezirk innerhalb des S-Bahn-Rings hat seine Stunde, in dem sich die Berliner zuraunen, dass er nun im Kommen sei. Über Berlin-Charlottenburg sagt das keiner, jedenfalls niemand außer vielleicht der russischen High Society, die rund um den Savignyplatz so auffällig ihre Dior Saddle Bag um die teuer gekleidete Schulter schlingt. Nein, vielmehr wird angenommen, Charlottenburg habe seine Glanzzeiten hinter sich gelassen.Es läge in einem „retrospektiven Dämmer“ konstatierte das Feuilleton der FAZ Anfang des Jahres, seinen Kiezen könne man nur fliehen.

Zugegeben, Charlottenburg hat das Zentrumsappeal längst verloren, und es stehen tatsächlich Ladenlokale leer, an deren Fensterinnern langsam eine B.Z. vom vorletzten Jahr vergilbt.

Aber können nicht nur dort Läden sterben, wo auch vorher welche waren? Und was ist mit den Restaurants und Cafés links und rechts der westlichen Kantstraße, die sich über Jahre erfolgreich halten? Die dürfte es ja der Annahme nach gar nicht mehr hier geben. Gibt es aber sehr wohl. Eines davon ist das italienische Restaurant Stella Alpina an der Suarezstraße.

Schön ist die Straße nicht, eher architektonisches Durcheinander, und mittendrin das Stella Alpina. Von außen anheimelnd anmutend, wenn auch nicht spektakulär, von innen zeitloser Einrichtungsmischmasch aus gedeckten Farben und gedämpftem Licht. Weinflaschen, die jede noch so kleine Nische zieren, bilden das hauptsächliche Stilelement des Lokals. Auf den eng aneinander stehenden Tischen liegen rot-weiß karierte Tischdecken gehobener Qualität. Recht bezeichnend, denn das Stella Alpina füllt den Raum zwischen Edel- und Billigitaliener. Fein oder gediegen geht es hier nicht zu, gesittet sehr wohl. Die meisten Gäste gehören zum Stammpublikum, eher jenseits als diesseits der 30, wohl eher verbeamtet als freischaffende Künstler. Wegen der Einrichtung kommt sicher keiner ins Stella Alpina, eher wegen des ausgezeichneten Vitello Tonnato. Die dünnen Kalbsfleischscheiben in einer Thunfischkapernsoße für neun Euro sind ein Genuss. Auch die Hauptgerichte, gefallen gut. Bei deren Auswahl sollte man sich nicht auf Pizza und Pasta beschränken. Die Rouladen mit Kartoffeln und gratiniertem Fenchel beispielsweise sind zart, die Soße schmeckt extrem rund, besser geht es kaum.

Auch wenn das Stella Alpina kein In-Lokal ist, nach Degeneration und Dämmer schmeckt es nicht. Fluchtinstinkt kommt auch keiner auf, Dämmerung hin oder her.

RESTAURANT STELLA ALPINA, Suarezstraße 4, 14057 Berlin, Tel. (0 30) 32 22 805, tägl. 12 bis 24 Uhr, U-Bahn Sophie-Charlotte-Platz, Pizza ab € 5,50, Vorspeisen ab € 7, Hauptgerichte ab € 11, Mittagstisch € 7,50