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Archiv-Artikel

Lecker Prenzl’ Berg

ERNTEZEIT Tischleindeckdich: Am Langen Tag der Stadtnatur zeigte die Initiative Mundraub mit einem Spaziergang durch den Kiez, was alles Essbares am Wegesrand wächst

Der Wind spielt mit den belaubten Ästen der Büsche und Bäume. Es hat soeben aufgehört zu regnen, die Schätze der Stadtnatur sind nun vom Straßenstaub reingewaschen: Der Tisch ist quasi gedeckt für Magda Zahn und ihre Kollegin Andie Arndt von der Initiative Mundraub, die sich für den Erhalt alter, in Vergessenheit geratener Fruchtsorten einsetzen.

Am Samstag, während des Langen Tags der Stadtnatur, führten sie durch den Prenzlauer Berg – und zeigten, was einem am Wegesrand mehr oder weniger in den Mund wächst und wie man die Allmende, den Gemeinschaftsgarten, in der Stadt für sich nutzbar macht.

Äpfel

Start am Zeiss-Großplanetarium an der Prenzlauer Allee. Die zugespitzten dunkelgrünen Blätter mit der behaarten, etwas helleren Unterseite stechen den beiden geübten Mundräuberinnen sofort ins Auge: Ein Apfelbaum hat sich unter die Stauden der Hecke hinter dem Zeiss-Planetarium gemischt. Derzeit sind die Früchte noch klein, grün und hart. Im Herbst lassen sie sich aber ernten und zu Mus, Kompott oder Kuchen verarbeiten – oder im Winter als Bratapfel in der Röhre schmoren. Oder einfach so von der Hand in den Mund schieben.

Mirabellen

Die gelbe Zwetschge scheint sich, wie ihre pflaumigen Artgenossen auch, in der Stadtnatur pudelwohl zu fühlen. Noch ist es nicht so weit: Aber die leuchtend gelben, reifen Früchte an der Ecke Prenzlauer Allee/Fröbelstraße kann man fast nicht übersehen. Bei der Blutspflaume muss man schon genauer hingucken, um die Früchte zu erkennen. Der Baum selbst sticht aber heraus. Seine Blätter sind auch im Sommer blutrot. Die Empfehlung der Mundräuberinnen: Zwetschgenknödel mit Zimt und Zucker.

Haselnuss

Die gemeine Hasel straucht schon seit der Steinzeit in unserem Ökosystem. Im Spätsommer sind die Nüsse reif. Der robuste Strauch sei überall in der Stadt zu finden, erklären die Mundräuberinnen. Vor allem an Straßenrändern breitet sie sich aus – zum Beispiel in der Kopenhagener Straße.

Kirschen

Weiter zum S-Bahnhof Bornholmer Straße. Unterhalb der S-Bahn-Brücke verläuft ein Stück Mauerradweg, hier gibt es eine Brache – und eine Kirschwiese. Meist werden sie nur zur Zierde gepflanzt, wie auch hier. Wer die Augen offen halte, entdecke aber die einen oder anderen echten Kirschbäume in der Stadt, versichern die Mundräuberinnen. Die strahlend weiß-rosa Blüte ließ sich im Frühjahr bewundern, jetzt lassen sich die Früchte bereits pflücken. Belohnt wird die Mühe mit wildem Kirschkernspucken.

Steinklee

Ungemähte Wiesen mag dieser Klee, der dem Waldmeister im Geschmack nicht ganz unähnlich ist. Auf der Brache im Dreieck Steeger-, Brehme- und Dolomitenstraße, dem Ziel des Spaziergangs durch einen erstaunlich essbaren Kiez, hat er sich breitgemacht. Tipp von den Mundräubern zur sofortigen Anwendung: Das gerupfte Kraut ein paar Stunden welken lassen und samt einiger Zitronenscheiben in kaltem Zuckerwasser drei Tage ziehen lassen. Anschließend aufkochen, fertig ist der Steinklee-Sirup. Der selbst gemachten Limonade oder einer Berliner Weißen mit Schuss steht dann nichts mehr im Weg.

MARKUS MAYR