Lando bekommt Leviten gelesen

Im Bankenprozess gegen Ex-CDU-Strippenzieher Landowsky sieht die Staatsanwältin den Vorwurf der Untreue „voll bestätigt“. Die Angeklagten hätten Risiken bei der Kreditvergabe bewusst ignoriert

von ULRICH SCHULTE

Etwa zwei Minuten braucht Vera Junker für eine Seite. 170 Seiten hat die Oberstaatsanwältin geschrieben, ihre Beweiswürdigung entspricht im Umfang einer Doktorarbeit. Gestern Mittag hat Junker im wichtigsten Prozess zum Bankenskandal mit ihrem Plädoyer begonnen, knapp eineinhalb Jahre nach Beginn des Verfahrens. Und sie macht gleich zu Anfang klar, wie sie das Handeln des ehemaligen CDU-Strippenziehers und Vorstandschefs der Berlin Hyp, Klaus-Rüdiger Landowsky, und zwölf weiterer Bankvorstände und Aufsichtsratsmitglieder bewertet: „Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich die Tatvorwürfe durch die Beweisaufnahme voll bestätigt haben.“

Welche Strafe sie für Lando und Co. fordert, wird sie heute, am Ende ihres Plädoyers bekannt geben. Das Strafgesetzbuch sieht für schwere Untreue Haftstrafen zwischen einem und zehn Jahren vor. Landowsky, Wolfgang Rupf, der Ex-Chef der Bankgesellschaft, und die anderen hätten bei der Vergabe von Krediten in Höhe von rund 235 Millionen Euro vorgeschriebene Prüfungen außer Acht gelassen, Risiken ignoriert und so ihre Pflichten verletzt, argumentiert Junker.

Detailliert trägt die Staatsanwältin vor, wie die Angeklagten der Immobilienfirma Aubis für verschiedene Plattenbauprojekte, zum Beispiel in Leipzig, Millionensummen liehen. Dabei sollen sie laut Junker haarsträubende Fehler gemacht oder absichtlich übersehen haben. Sie rechnet vor, wie die Angeklagten in großem Stil Verwaltungs- und Instandhaltungskosten zu niedrig ansetzten, wie sie Leerstandsprognosen übersahen, Bonitätsprüfungen unterließen und Warnungen von Experten ignorierten. Dies hätte den Angeklagten, „als erfahrenen Bankmanagern“, nicht passieren dürfen, so Junker. Zudem hätten sie bewusst ignoriert, dass die Aubis-Inhaber Christian Neuling und Klaus Wienhold, ebenfalls zwei ehemalige CDU-Politiker, kaum Erfahrung mit Geschäften dieser Größenordnung gehabt hätten.

Die Firma Aubis hatte mit dem Geld zehntausende Plattenbauwohnungen in den Ost-Ländern in den 90er-Jahren gekauft und saniert. Über einzelne Siedlungen sagt Junker: „Eine einfache Überprüfung des Zahlenwerks hätte die Mängel aufgezeigt.“ Die Angeklagten hätten sich nicht mit Allgemeinplätzen über Wert und Zukunft der Bauten zufrieden geben dürfen.

Im Gegenzug revanchierte sich die begünstigte Aubis: Landowsky hatte kurz nach der Kreditvergabe an die Firma eine Parteispende an die CDU entgegengenommen, ohne diese im Rechenschaftsbericht zu erwähnen. Dieser Deal löste zusammen mit dubiosen Immobilienfondsgeschäften die Affäre um die Bankgesellschaft Berlin aus. An dem Bankenskandal war 2001 die große Koalition aus CDU und SPD zerbrochen.

In dem Prozess hatten die angeklagten Manager und ihre Verteidiger die Vorwürfe zurückgewiesen. Was die Staatsanwältin vorgetragen habe, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt worden, sagte Landowsky gestern in einer Verhandlungspause. „Ich glaube, alle Zeugen haben das Gegenteil ausgesagt.“ Ein Urteil wird nicht vor Ende Januar erwartet.