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Archiv-Artikel

Chefredaktion 2.0 im Web 2.0

Bei der „Netzeitung“ tritt Gründungschefredakteur Maier ab. Ihm folgen die Feuilleton-Autoren Angele und Ehlert

Nach sieben Jahren an der Spitze der Netzeitung scheidet Chefredakteur Michael Maier zum Jahresende aus. Maier, der nominell auch noch Geschäftsführer ist, gab gestern seine Demission aus beiden Ämtern bekannt. Seine Nachfolge als Chefredakteur treten Michael Angele (42) und Matthias Ehlert (39) als neue Doppelspitze an. Geschäftsführer wird der bisherige kaufmännische Leiter Christoph Weber.

Maiers Abtritt kommt wenig überraschend: Aus Mitarbeiterkreisen war schon länger zu hören, dass er kaum noch in die Redaktionsräume in der Berliner Albrechtstraße kam. Die tägliche Produktion soll vor allem von seiner Stellvertreterin Domenika Ahlrichs betreut worden sein.

Maier, der die allein im Internet erscheinende Zeitung auch gegründet hat, will sich nach seinem Ausscheiden nun so genannten Web 2.0-Projekten, also interaktiven Internetangeboten, widmen: „Ich möchte nun den Wandel des Journalismus begleiten, wie er sich durch die neuen Möglichkeiten im Internet ergibt“, sagte der 48-Jährige gestern. Ein erster Schritt in diese Richtung soll der Kauf der Readers Edition sein. Mit seiner neu gegründeten Blogform Verlags GmbH hat Maier bereits das Bürgerjournalismus-Portal vom norwegischen Medienkonzern Orkla, zu dem auch die Netzeitung gehört, erworben.

Mit dem Verkauf der Readers Edition soll aber nicht Schluss sein mit dem Web 2.0 bei der Netzeitung: „Wir wollen Angebote wie YouTube allerdings nicht ersetzen, sondern wollen uns vielmehr dazu positionieren und sie einordnen“, sagte Neu-Chefredakteur Angele gestern zur taz. Ziel sei es, so Angele, mit „intelligenten Dienstleistungen wie unserer Kolumne ‚Altpapier‘ auch die Leute als Leser zu gewinnen, die eine gewisse Distanz zum Internet haben.“

Mit dem „Altpapier“, einer täglichen Presseschau über die Medienseiten deutscher Tageszeitungen, stieg Angele bei der Netzeitung ein. Vorher arbeite der gebürtige Schweizer bei den Berliner Seiten der FAZ – übrigens unter der Leitung seines baldigen Ko-Chefredakteurs Ehlert. Während Angele zuletzt im Feuilleton der Netzeitung arbeitete, schrieb Ehlert nach der Einstellung der Berliner Seiten vor allem als freier Autor für die Welt am Sonntag, ehe er in die Entwicklungsredaktion der deutschen Ausgabe der Vanity Fair berufen wurde.

Der Wechsel an der Spitze der Netzeitung kommt zu einer Zeit, in der die großen deutschen Verlage massiv in ihre Internetauftritte investieren. Auch wenn bei der Netzeitung solche Investitionen nicht anstehen, will das Angele erwartungsgemäß nicht als Nachteil verstanden wissen: „Wir sehen uns als eine Art Partisanen. Als kleine Redaktion sind wir einfach beweglicher und risikofreudiger.“ Hannah Pilarczyk