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Archiv-Artikel

Bis man Farben zu sehen meinte

TRISH KEENAN Die Sängerin der britischen Band Broadcast ist gestorben

„There’s a place I have never explored / another world we have yet to conquer / and until then none of us have anything“. Ein zarter, windschiefer Geigenloop antwortet einer singenden Säge, während die klare, traurige Frauenstimme aus einer anderen Welt zu kommen scheint, zumindest aus einem weit entfernten Bewusstseinszustand: „Until then“ erschien auf der 2000 veröffentlichten Platte „The noise made by people“. Die Band hieß Broadcast, der Sängerin Trish Keenan fielen über einen Seitenscheitel glatte, dunkle Haare ins Gesicht. Zusammen mit ihren musikalischen Partnern Tim Felton und James Cargill rührte sie psychedelische Dimensionen unter elektronische Musik, bis man meinte, beim Hören der Platten Farben zu sehen.

Das britische Elektro-Label Warp marschierte durch Broadcast in Richtung einer nicht ganz so Electroclash-affinen Öffentlichkeit. Vor anderthalb Jahren veröffentlichte die auf Duogröße (Keenan und Cargill) geschrumpfte Band die Platte „Broadcast & The Focus Group investigate Witchcraft in the Radio Age“ und setzten damit noch mal einen schillernden Punkt, wie ihn Grace Slick, die experimentelle Psychedelicband The United States of America oder die frühen Pink Floyd nicht hätten deutlicher pinseln können: Wie eine durch Fliegenpilzgenuss induzierte Hörspieltrance wabert, schwebt, singt und murrt es auf der Platte. Die Stücke sind eher Teile als Songs, aber Trish Keenans deutliche und klare Stimme schwebt selbstbewusst über dem Gesamtkunstwerk.

Mit ihren Texten, die von Seancen und Hexenmeistern handeln, esoterikfrei mit Kult und Mystik hausieren und eine Inspiration in den legendären „Hammer“-Gruselfilmproduktionen der 60er sehen, schaffte sie es spielerisch auf eine Ebene jenseits von Songwriter-Befindlichkeiten oder dem Bemühen um Hardcore. Auf eine Broadcast-Platte musste man sich einlassen; um sie nebenbei zu hören, war sie zu vielschichtig. Die Musikzeitung The Wire wählte „Witchcraft“ gar zum besten Album des Jahres 2009.

Die aus Birmingham stammende Sängerin und Psychedelia-Erbin Trish Keenan, die mal in einem Interview freimütig zugab, sie versuche, ihre „Worte kryptisch klingen zu lassen“, erlag am Freitag in einem britischen Krankenhaus einer Lungenentzündung, wie das Warp-Label bekannt gab. Einem Internet-Gerücht zufolge hatte sich die 42-Jährige bei einer Australienreise mit dem Schweinegrippe-Virus angesteckt. Sie hatte zwei Wochen gegen die Krankheit gekämpft. JENNI ZYLKA