: Die Kanzlerin vor der Klimafrage
Die Regierung entscheidet heute, wie viel Dreck deutsche Unternehmen zukünftig in die Luft blasen dürfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) muss dabei einen Konflikt zwischen EU-Umweltkommissar Stavros Dimas und der Industrie schlichten
AUS BERLIN NICK REIMER
Heute entscheidet sich, ob Angela Merkel besser regiert als ihr Vorgänger. Das Bundeskabinett will den nationalen Allokationsplan beschließen. Dazu dürfte ein Machtwort notwendig sein.
„Die Situation ist für Angela Merkel dieselbe wie 2003 für Gerhard Schröder“, sagt Rainer Baake, der damals Staatssekretär unter Bundesumweltminister Jürgen Trittin war. Heute ist er Geschäftsführer der deutschen Umwelthilfe. Kurz vor Weihnachten 2003 debattierte das Kabinett Schröder den sogenannten Nationalen Allokationsplan (NAP). Er legt fest, welches Unternehmen wie viel Klimamüll in die Atmosphäre blasen kann. Ein marktwirtschaftliches Klimaschutz-System (siehe Seite 4): Wer spart, kann Aktien verkaufen, wer mehr braucht, muss zahlen.
Zumindest, wenn das System funktioniert: Trittin hatte 2003 vorgeschlagen, 488 Millionen Zertifikate auszuteilen. Es folgte ein Aufschrei der Lobbyisten: Der Trittin’sche Plan sei das Ende des Standortes Deutschland. Kanzler Schröder legte schließlich 499 Millionen Zertifikate fest – jährlich, für 2005, 2006 und 2007. Dumm nur, dass von der Industrie 2005 gerade einmal 477 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen wurden. „Deutschland ist nicht untergegangen“, bilanziert Baake. Dafür hat die Industrie 22 Millionen Zertifikate mehr bekommen als nötig.
Kurz vor Weihnachten 2006 steht der Standort Deutschland wieder vor dem Untergang. „Gravierende Wettbewerbsnachteile“, sieht der Bundesverband der Deutschen Industrie. Die Gewerkschaft Bau, Chemie, Energie fürchtet ein „nie da gewesenes Arbeitsplatzvernichtungsprogramm“. Und die Chefs der größten Konzerne forderten von Kanzlerin Merkel per Brief: Stoppen sie den Wahnsinn der EU. Umweltkommissar Stavros Dimas hatte nämlich nach der Erfahrung von 2005 festgelegt, dass der Deutschen Industrie „nur“ 453 Millionen Zertifikate zugestanden werden dürfen.
Die Frage also ist heute: Knickt Angela Merkel genau so ein wie ihr Vorgänger? Oder ist sie stärker? Nach taz-Informationen kommt der vom federführenden Bundesumweltministerium eingebrachte Entwurf Umweltkommissar Dimas entgegen. „Der Teufel allerdings liegt im Detail“, sagt Baake. So plane die Regierung einen brennstoffabhängigen Zuteilungsplan, Braunkohl-Kraftwerke sollen dreimal so viele Zertifikate bekommen wie Gaskraftwerke. Die Begründung: Braunkohle verursacht dreimal mehr Kohlendioxid als Gas. Der blanke Horror, wie Baake findet: „Investitionen in klimaschonende Technik würden sich so natürlich nicht lohnen.“
Deshalb dürfe es erstens keinen Rohstofffaktor geben – der klimafreundlichste kann sich nur so durchsetzen. Zweitens müssten zehn Prozent der Emissionen versteigert werden. „SPD und Union wollen doch den Strompreis senken“, erläutert Baake. Eine Versteigerung bringt bis zu drei Milliarden Euro – die könnte man von der Stromsteuer abziehen. „Versteigert die Regierung nicht, landet das Geld in den Taschen der Konzerne – ohne Gegenleistung.“ Auch das habe man aus den Erfahrungen lernen können. Baake: „Die Frage ist, ob es Bundeskanzlerin Merkel besser macht als ihr Vorgänger Schröder.“
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