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Archiv-Artikel

Beruhigungsmittel für Länderfürsten

Mit einem neuen Gutachten will Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Vorbehalte der Süd-Ministerpräsidenten gegen ihre Reformpläne entkräften. Doch genaue Zahlen der finanziellen Belastungen zu berechnen, dürfte schwierig bleiben

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Die Gesundheitsministerin verteilt Beruhigungspillen an Stoiber, Oettinger und Koch. In dem Streit um angebliche Milliardenlasten für die Unions-Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen hat Ulla Schmidt (SPD) gestern ein neues Gutachten angekündigt. Die drei Ministerpräsidenten hatten angedroht, der Reform im Bundesrat nicht zuzustimmen, sollte ihre Länder mit Einführung des Gesundheitsfonds erheblich draufzahlen müssen.

Schmidt bat die Sachverständigen Bert Rürup und Eberhard Wille um eine neue Expertise. Das Ergebnis erwartet sie spätestens Anfang Januar. Das Bundesversicherungsamt (BVA) geht davon aus, dass die neuen die alten Zahlen der Behörde sein werden. Nach BVA-Berechnungen muss Baden-Württemberg 56 Millionen Euro mehr zahlen, Bayern und Hessen wären mit 36 und 55 Millionen Euro beteiligt. „Wir stehen dazu“, sagte ein Sprecher.

Dagegen hatte das Institut für Mikrodatenanalyse Kiel Mehrkosten in Höhe von 1,6 Milliarden Euro allein für Baden-Württemberg errechnet. Die Zahlen, die das Institut präsentiert hatte, seien falsch, erklärt BVA-Präsident Rainer Daubenbüchel. Die Studie berücksichtige nicht den bereits bestehenden Ausgleich. Auch die Datengrundlage sei nicht nachvollziehbar.

Genau das sei die Schwierigkeit jeglicher Gutachten, meint der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. „Die Frage ist, von welchen Annahmen man ausgeht und wie stabil diese sind.“ Wasem hat als Erfinder des Gesundheitsfonds selbst immer wieder durchgerechnet, wie das Geld aus diesem zwischen den rund 250 Krankenkassen verteilt wird. Doch die wichtigsten Variablen der Gleichung – Höhe der Ärztehonorare, der Zusatzbeitrag und Ausgaben der Krankenkassen – ändern sich mit jedem Haken, den die Gesundheitsreformer schlagen. Auch das Institut für Gesundheitsökonomie in Köln hat mehrere Rechenbeispiele parat. Doch keines davon veröffentlicht. „Die wichtigsten Variablen stehen politisch noch nicht fest, deshalb kann keiner die Mehrkosten seriös berechnen“, sagt der Institutsleiter und SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach.

Kanzlerin Angela Merkel bekräftigte am Montagabend, dass die Reform kommen werde: „Und zwar im Grundsatz so, wie wir sie vereinbart haben.“ Bayerns Ministerpräsident Stoiber aber forderte, einige Eckpunkte noch einmal neu zu verhandeln, insbesondere die Reform der privaten Krankenversicherung.

SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles warf den Unions-Ministerpräsidenten vor, mit vorgeschobenen Argumenten den neuen Basistarif für Privatversicherungen verhindern zu wollen. Die Gesundheitsreform soll am 19. Januar vom Bundestag und am 16. Februar vom Bundesrat beschlossen werden und am 1. April 2007 in Kraft treten.

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