: Überwachung ohne jeden liberalen Skrupel
Hackermethoden und Großer Lauschangriff: CDU und FDP drücken das neue Verfassungsschutzgesetz im Landtag durch. Abweichler gab es nicht – dabei warnen selbst liberale Ex-Minister vor dem Kurs ihres NRW-Innenministers Wolf
DÜSSELDORF taz ■ Gegen die Arroganz der Macht können auch eindringliche Appelle und Warnungen nichts ausrichten. Diese bittere Erfahrung mussten gestern die Oppositionsparteien im Düsseldorfer Landtag bei der abschließenden 3. Lesung des umstrittenen neuen Verfassungsschutzgesetzes machen.
Es sei es nicht gelungen, in dem vorgelegten Gesetzesentwurf „Freiheit und Sicherheit in eine Balance“ zu bringen, schrieb der Innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karsten Rudolph, der schwarz-gelben Landesregierung ins Stammbuch: „Wir haben es hier mit einem schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte zu tun.“ Seine grüne Kollegin Monika Düker sekundierte: „Wir halten dieses Gesetz für verfassungswidrig.“
Doch den Regierungsparteien stand nicht mehr der Sinn nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung: „Zu diesem Tagesordnungspunkt gibt es nichts mehr Neues zu sagen“, beschied der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Peter Biesenbach nur kurz und knapp. „Wir haben alle Argumente ausgetauscht“, verkündete FDP-Mann Horst Engel.
Entsprechend ignorierte der liberale Hauptkommissar a.D. auch einfach den Versuch der Opposition, die Freidemokraten mit Einwänden aus den eigenen Reihen noch zu einem Umdenken zu bewegen: „Es ist ein Fehler, dem Verfassungsschutz den Einblick in die Internetdateien eines Bürgers zu erlauben“, zitierten in der Debatte sowohl Rudolph als auch Düker aus der taz vom Mittwoch den früheren FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum. Was Menschen am Computer aufschrieben, sei „in vielen Fällen mit einem Tagebuch gleichzusetzen, das voller persönlicher Daten ist“, so Baum zur taz. Er könne sich kaum vorstellen, dass das Gesetz in diesem Punkt vor dem Verfassungsgericht Bestand haben werde.
Düker brachte zudem die FDP-Bundestagsabgeordnete und Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Anschlag, die in der taz dem Landesinnenminister empfohlen hatte: „Ingo Wolf sollte dieses Gesetz noch einmal überarbeiten. Sonst muss hinterher wieder das Bundesverfassungsgericht die Reißleine ziehen.“
Wolfs lapidare Erwiderung auf solch gut gemeinten Rat: „Der durchsichtige Versuch, den Spaltpilz in die Koalition zu bringen, wird misslingen“. Zwischen FDP und CDU passe „kein Blatt Papier“. Ansonsten lobte der FDP-Minister das neue Gesetz als das „modernste Sicherheitsgesetz“ in der Bundesrepublik: „Das ist ein absoluter Quantensprung.“
Was die vorgesehene Befugnis für den Verfassungsschutz betreffe, mit Hackermethoden heimlich in private Computer einzudringen und Festplattendaten auszuspähen, empfahl er, „doch mal ganz gelassen“ zu bleiben: „Zutreffend ist, dass es sich hierbei um einen erheblichen Eingriff in das informelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen handeln kann, der aber im Einzelfall zum Schutz von Leben und Freiheit anderer erforderlich ist.“ Ebenso wies Wolf die Forderung zurück, die Ermächtigung zur akustischen Wohnraumüberwachung zu streichen und damit der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff Rechnung zu tragen. Das Land wolle erst auf eine Änderung der bundesgesetzlichen Regelung warten und werde danach seine gesetzlichen Befugnisse anpassen.
Anschließend demonstrierten CDU und FDP die von Wolf zuvor behauptete Geschlossenheit: Ohne eine einzige von bürgerrechtlichen Skrupeln angekränkelte Abweichlerstimme verabschiedete die schwarz-gelbe Mehrheit das neue Gesetz.
PASCAL BEUCKER