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Archiv-Artikel

„Bemerkenswert für 1905“

VORTRAG Der Kolonialismus in Hamburg ist alt – aber der Widerstand dagegen ist es auch

Von GRÄ
Susann Lewerenz

■ 39, Historikerin und Ausstellungsmacherin, arbeitet zu post-/kolonialer deutscher Geschichte, Migration und Rassismus.

taz: Seit wann gibt es eine anti-koloniale Bewegung, Frau Lewerenz?

Susann Lewerenz: Schon relativ lange. Es ist bekannt, dass sich viele Hamburger Kaufleute an kolonialen Projekten in Afrika und der Südsee beteiligt haben – aber dass Hamburg gleichzeitig seit der Jahrhundertwende Schauplatz antikolonialer Proteste war, ist weniger geläufig.

Wer hat damals protestiert?

Ein Beispiel: Anfang des 20. Jahrhunderts wohnte in Altona Mpundu Akwa. Er war der Sohn von Dika Akwa, einem der sogenannten „Kings of Cameroons“, die mit den Deutschen einen „Schutzvertrag“ geschlossen hatten und Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend gegen das vertragsbrüchige Willkürregime in Kamerun protestierten. Sie suchten Kontakte zur Reichsregierung und dem Reichstag, um ihre Beschwerde vorzubringen – deswegen war Mpundu Akwa in Hamburg. Er sollte die Kameruner Elite hier politisch vertreten und trat dazu auch mit der kolonialkritischen Presse in Kontakt.

Gab es schon eine deutsche Öffentlichkeit für das Thema?

Die sozialdemokratische Presse hat diese Beschwerden durchaus aufgegriffen. Man muss dazu sagen, dass um die Jahrhundertwende der Kolonialismus in einer Krise war: In verschiedenen Kolonien gab es militärischen Widerstand, es gab diverse Skandale aufgrund von Willkürherrschaft – so war Kolonialkritik durchaus ein Thema. Allerdings gab es fast keine grundsätzliche Kritik, sondern diese beschränkte sich auf die Art, wie Kolonialismus betrieben wurde.

Wie erfolgreich war Akwa?

Seine Situation war prekär. Gegen ihn wurde ein Prozess geführt, wobei die Kolonialregierung in Kamerun ihre Finger im Spiel hatte. Man wollte erreichen, dass er abgeschoben und damit mundtot gemacht wurde. Der Grund für den Prozess war läppisch: Es ging darum, dass er angeblich zu Unrecht einen Prinzentitel führte und Waren auf Kredit gekauft haben sollte, ohne bezahlen zu wollen.

Ist der Plan aufgegangen?

Akwas Anwalt, Moses Levi aus Altona, nutzte den Prozess, um öffentlich auf das Unrechtsregime in Kamerun hinzuweisen. Akwa wurde freigesprochen. Das ist für 1905 bemerkenswert.

Wie ist das Klima heute?

Es gibt eine interessierte Öffentlichkeit – aber auch viel Gegenwind.  INTERVIEW: GRÄ

„Black Box II. Das koloniale Hamburg und post_koloniale Bilder“. Symposium 18. bis 20. 6. an der Hochschule für bildende Künste (HfbK). Vortrag: „Kolonialismus und antikolonialer Aktivismus in Hamburg“: 20 Uhr, Patriotische Gesellschaft, Trostbrücke 4–6