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Archiv-Artikel

Ein bizarrer Despot

Turkmenistans Präsident Saparmurad Nijasow machte sein ganzes Land zu einem Freilichtmuseum des Kults um seine Person

AUS BAKU MARKUS BENSMANN

Am Ende haben all die goldenen Statuen, die von Gott gesandten Eingebungen und die deutsche Ärztekunst nichts genutzt: In der Nacht zum Donnerstag ist einer der bizarrsten Despoten der Welt verschieden. Eine Herzattacke beendete die lebenslange Präsidentschaft des turkmenischen Staatschefs Saparmurad Nijasow.

Die Nachfolge des „Turkmenbaschi“, des „obersten aller Turkmenen“, als der sich Nijasow von seinem Volk verehren ließ, bleibt vorerst unklar. Auf einer offiziellen Trauerseite der turkmenischen Regierung wird verkündet, dass der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats, Gurbanguly Berdimuhammedow sowohl die Trauerfeier am 24. Dezember als auch vorläufig die Amtsgeschäfte führen wird. Aber auch Nijasow-Sohn Murad ist als möglicher Nachfolger im Spiel.

Die auf der Welt verstreute turkmenische Opposition wittert Morgenluft. Bisher hatte sie sich vor allem durch innere Intrigen ausgezeichnet. Jetzt sagt der in Oslo lebende Awdi Kuliew: „Wir haben uns darüber verständigt, alle Streitigkeiten beiseite zu lassen und nach Turkmenistan zu reisen.“ Das Land habe nun eine Chance für einen Neuanfang. Bevor er Anfang der 90-Jahre ins Exil flüchten musste, diente Kuliew Nijasow als Außenminister. Damals wurde er Zeuge, wie Nijasow vor den Augen des Kabinetts bei einem heftigen Gewitter den Wolken befahl zu verschwinden. „Dieser Mann war größenwahnsinnig“, fasst Kuliew zusammen.

Seit der Unabhängigkeit der einstigen Sowjetrepublik 1991 hat Nijasow das zentralasiatische Land und seine knapp fünf Millionen Einwohner einem schillernden Personenkult unterworfen. Der 66-jährige Turkmene, der in sowjetischen Waisenhäusern herangewachsen war und dann in der Kommunistischen Partei Karriere gemacht hatte, betrachte die aus den gewaltigen Erdgas- und Erdölvorkommen gespeisten Reichtümer seines Landes als persönlichen Besitz. In der turkmenischen Hauptstadt dreht sich eine funkelnde Nijasow-Goldstatue um die Sonne. Weitere Abbilder seiner Person, seiner Mutter und seines Lieblingspferdes stehen überall im Land herum. Unzählige mit Marmor und Gold versehene Paläste und Triumphbögen machen die Städte und Dörfer Turkmenistans zu einem Freilichtmuseum für den durchgeknallten Despoten.

Trotz des Reichtums an Rohstoffen darbt Turkmenistans Bevölkerung. Nijasow gelang es, die meisten Bürger mit kostenlosen Gas- und Salzzuteilungen ruhigzustellen. Wer trotzdem in die Opposition ging, wurde vertrieben. Unbotmäßige Exminister verschwanden in Gefängnissen. Im Jahr 2002 scheiterte ein Umsturzversuch des damaligen Außenministers und designierten Kuliew-Nachfolgers Boris Schychmuradow. Nach einem Schauprozess wurde dieser in ein Gefangenenlager gesperrt. Kritische Journalisten wurden verfolgt. Im Oktober 2006 wurde die Radio-Liberty-Mitarbeiterin Ogulsapar Muradowa zu Tode gefoltert.

Nijasow ließ die Monate und Wochentage nach sich und seinen Familienangehörigen umbenennen. Zudem schrieb er mit „Ruchnama“ (Buch der Seele) ein „heiliges“ Buch, das ihm nach eigenen Angaben der Allmächtige direkt eingeflüstert hatte. Wer in Turkmenistan studiert, zur Schule geht oder einen Führerschein erhalten will, kommt um die Lektüre des Werks nicht herum. Zudem war Nijasow berühmt für seine Großprojekte, die er nach eigenem Gutdünken plante. Riesige Seen sollten die Wüste bewässern, Krankenhäuser wurden in der Provinz geschlossen und dafür eine hochmoderne Herzklinik in der turkmenischen Hauptstadt errichtet. Minister, die nicht spurten, wurden entweder ins Gefängnis gesperrt – oder sie mussten eine Freilichttreppe als Buße besteigen, die Nijasow extra für diesen Zweck in die Berge bauen ließ. Er selbst ließ sich bis zu seinem Tod von deutschen Herzspezialisten aus München verarzten.