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Archiv-Artikel

Kanada: Indianer rüsten für Kampf gegen Pipeline

ENERGIE Regierung genehmigt Northern-Gateway-Röhre. Ureinwohner befürchten Tankerunglücke

VANCOUVER taz | Gerald Amos ist ein Stammesältester der Haisla-Indianer in Kanada. Er wohnt nahe Kitimat, einer kleinen Gemeinde an der Pazifikküste. Wie schon seine Eltern und Großeltern lebt er von den reichen Fischgründen – und hofft, dass auch seine Kinder und Enkel die Familientradition fortsetzen.

Doch wenn es nach Regierung und Wirtschaft geht, kreuzen statt Fischkuttern bald riesige Öltanker durch die Gewässer von Amos’ Heimat. Davor hat er Angst: „Ein Tankerunfall wäre unser Ende. Wir müssen das Projekt unbedingt verhindern.“

Amos meint die Northern-Gateway-Pipeline, deren Bau die kanadische Regierung am Dienstag nach jahrelangen Debatten genehmigt hat. Die geplante 1.200 Kilometer lange und 8 Milliarden Dollar teure Doppelröhre des Enbridge-Konzerns soll ab 2018 pro Tag rund 525.000 Barrel Schweröl aus den Ölsandgebieten im Landesinneren zum Pazifik transportieren. Nahe Kitimat soll der Rohstoff in Tanker gepumpt und nach Asien, vor allem China, verschifft werden. Ziel ist es, den Umfang der Ölgewinnung aus Ölsanden in 10 Jahren zu verdoppeln: bis 2025 auf 4 Millionen Barrel.

Damit steuert Kanada womöglich auf Konflikte zu, wie es sie seit den Protesten gegen den Kahlschlag in den pazifischen Regenwäldern in den 1980er Jahren nicht mehr gegeben hat. „Wir werden die Pipeline mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen“, erklärte der Dachverband der Westküstenindianer. „Koste es, was es wolle.“

130 Indianerstämme haben sich gegen den Bau der Pipeline ausgesprochen. Viele leben entlang der Pipelineroute, und in Kanada haben betroffene Ureinwohner ein von der Verfassung garantiertes Mitspracherecht. Zahlreiche Häuptlinge wollen Regierung und Wirtschaft jetzt mit Massenklagen überhäufen – das könnte den Baubeginn um Jahre verzögern.

Für die traditionelle Heimat vieler Stämme bedeutet die Pipeline drastische Veränderungen. Jährlich rund 250 Öltanker würden künftig durch die zerklüfteten und sturmgepeitschten Meeresarme vor Kitimat fahren. Bei vielen weckt das Erinnerungen an die Havarie der „Exxon Valdez“ vor Alaska vor 25 Jahren.

Die Bewohner der Küstenprovinz British Columbia lehnen die Pipeline mit großer Mehrheit ab. Die Bürger von Kitimat haben in einem Referendum mit Nein gestimmt, obwohl Bau und Betrieb des Terminals viele Jobs bringen würden. Unterstützt wurden sie von rund 300 Wissenschaftlern, die in einem Brief vor dem Projekt gewarnt haben.

Umweltschützer wollen notfalls ein Referendum abhalten, um die Regierung zum Einlenken zu bewegen. Sie befürchten, dass die Ausweitung des Ölsandabbaus den Ausstoß von Treibhausgasen massiv erhöht. Mit dieser Begründung haben die USA ihr Ölsandpipelineprojekt „Keystone XL“ auf Eis gelegt.

Das gibt auch Gerald Amos Hoffnung. Der Haisla-Älteste glaubt, dass sich auch die Northern-Gateway-Pipeline so noch stoppen lässt. Und wenn doch nicht? „Notfalls werde ich mich mit meinem Körper den Bulldozern entgegenstellen.“

JÖRG MICHEL