… DIE KRAWATTE?
: Sich lockern

Was ist noch überflüssiger als ein Kropf? Richtig: eine Krawatte. Einziger Nutzen des bunten Wurmfortsatzes: Er verdeckt die Knopfleiste des Oberhemds, wozu auch immer. Des Weiteren engt er den männlichen Kehlkopf ein, hängt in Suppentellern, nervt andere durch doofe Muster und macht noch aus dem sympathischsten Menschen einen Apparatschik. Wer so was nötig hat, hat’s eben nötig.

Richtig ärgerlich wird es erst, wenn das Schlipstragen zu einer Frage der Staatsräson erhoben wird. Wie jüngst im Bundestag, wo Abgeordnete der Linken-Fraktion ihrer Tätigkeit als Schriftführer nicht oben ohne nachgehen durften. Der Abgeordnete Andrej Hunko kommentierte das mit dem Hinweis, er sei frei gewählt und vertrete nicht den Bundestag als solchen, weshalb er auch dessen Würde nicht verletzen könne, indem er sich keinen Strick um den Hals lege.

Und wie hält es das politische Berlin mit dem Stoffstreifen für die Männerbrust? Insgesamt zum Glück recht locker. Der offene Kragen gehört längst zum Erscheinungsbild der Plenarsitzungen im Abgeordnetenhaus, allerdings mit deutlich ungleicher Verteilung. Wen wundert’s, dass in den Reihen von CDU und FDP die Krawatte immer noch zum Standardrepertoire gehört? Aber auch hier fallen die ersten Bastionen – selbst CDU-Chef Frank Henkel ist bisweilen ganz aufgeknöpft zu erleben.

Und auf den Präsidiumssitzen? Eine Stellungnahme war am gestrigen Freitag nicht mehr zu erhalten. Nochpräsident Walter Momper freilich mag sich manchmal im parlamentarischen Prozedere vertun, sein Binder aber sitzt immer wie angegossen. Möglicherweise hat sich die Frage auch schon länger nicht mehr gestellt: Von den Grünen etwa war zu erfahren, dass sie mit der Kragenfrage gar kein Problem haben: Alle von ihr gestellten Präsidentenbeisitzer sind Beisitzerinnen. CLP         Foto: ap