: Europa senden und empfangen
Seit fast zehn Jahren ermöglicht das Erasmus-Programm einen kostenfreien und unbürokratischen Studienaufenthalt für europäische Studierende. Mit dem Bologna-Prozess sollen die Studienbedingungen aber angeglichen werden
Über 500 Jahre nach der Geburt des niederländischen Philologen und Philosophen Erasmus von Rotterdam beschloss die Europäische Gemeinschaft ein Austauschprogramm, das den Namen den Humanisten trägt. Seit 1987 soll es europäischen Studierenden einen kosten- und bürokratiefreien Auslandsaufenthalt ermöglichen Auslands.
Inzwischen schicken 31 Staaten ihren akademischen Nachwuchs durch Europa, 1,7 Millionen Studierende waren es bis heute. Deutschland ist derzeit das größte Entsenderland: Jedes Jahr gehen 22.500 deutsche Studierende mit Erasmus ins Ausland. Mit 17.000 ausländischen Studierenden liegt Deutschland allerdings nur auf dem vierten Platz der Empfängerländer. Die meisten Erasmus-Studierenden wollen nach Spanien und Frankreich. Beliebtestes Zielland der Deutschen ist allerdings England. Dort sind die Plätze jedoch begrenzt: Vergleichsweise wenige Engländer wollen ins Ausland.
Das Austauschprogramm beruht darauf, dass die Hochschulen untereinander Verträge darüber abschließen, wie viele Studierende sie austauschen wollen. Entsandte und empfangene Erasmus-Teilnehmer sollen sich in etwa die Waage halten. Die Studierenden, die für drei bis zwölf Monate an eine ausländische Uni wechseln, nehmen gewissermaßen die Bedingungen ihrer Heimatuni mit. Sie sparen sich das Bewerbungsverfahren, die im Ausland besuchten Kurse sollen zu Hause in den Studienplan passen. Zusätzliche Gebühren entstehen nicht. Eine Deutsche, die ins teure England geht, zahlt dort also keinen Penny fürs Studium. Ein Engländer, der nach Deutschland kommt, muss allerdings Geld an die Heimatuni überweisen.
Seit 1999 verändert der sogenannte Bologna-Prozess die europäische Uni-Landschaft. Damals trafen sich 29 europäische Bildungsminister in der italienischen Universitätsstadt und beschlossen, ihre Studiensysteme anzugleichen. Das eigenverantwortliche Studium, bislang Markenzeichen deutscher Universitäten, weicht nun einer dreijährigen Bachelor-Ausbildung mit festem, in Pflichtmodule aufgeteiltem Stundenplan. Wer höher hinaus will, kann sich in weiteren zwei Jahren zum „Master“ fortbilden lassen.
Für einen zwölfmonatigen Auslandsaufenthalt ist in einem derart straffen Lehrplan kein Platz mehr. Der Deutsche Akademische Auslandsdienst (DAAD) rechnet damit, dass sich die Erasmus-Zeiten künftig auf ein Semester beschränken werden. „Eine solche Entwicklung würde dem Geist des Bologna-Prozesses widersprechen“, sagt Siegbert Wuttig vom DAAD. Ziel der Angleichung sei gerade, die Mobilität der Studierenden zu erhöhen. Dennoch soll sich die Zahl der Erasmus-Nutzer bis zum Jahr 2012 verdoppeln. Falls die gestressten Bachelor-Studis das nicht allein schaffen, ist schon für Verstärkung gesorgt: Bis 2013 sollen Kroatien, Mazedonien und Albanien ins Erasmus-Programm aufgenommen werden.SEBASTIAN KRETZ