: Alstom pro Patria
ÜBERNAHME Staat kauft sich ein, G.E. nimmt den Rest. Trotz Niederlage hat Siemens Verständnis für Frankreichs Wirtschaftspatriotismus
AUS PARIS RUDOLF BALMER
Nach wochenlangem Wettstreit ist der Deal um Alstom so gut wie besiegelt. Der amerikanische Konzern General Electric, der als Erster ins Rennen für die Übernahme des französischen Energiekonzerns gegangen war, kauft zu 100 Prozent den Bereich der Gasturbinen und wird andere Bereiche als gleichberechtigter Partner mit Alstom weiterführen. Der Transportsektor mit dem TGV als Vorzeigeprodukt bleibt zu 100 Prozent bei Alstom und erhält als Mitgift die elektrischen Signalanlagen von G.E. Offen bleibt, wie sich die Ermittlungen der US-Behörden wegen Korruption gegen den Betrieb auf weitere Verhandlungen auswirken kann.
Der entscheidende Punkt bei der Übernahme ist die Kapitalbeteiligung des französischen Staates, der mit 20 Prozent Anteilen zum wichtigsten Aktionär wird. Das allein zeigt, wie wichtig der französischen Regierung die Kontrolle über die Dampfturbinen ist, die ein Kernstück der Ausrüstung der französischen und ins Ausland exportierten Atomkraftwerke darstellen. General Electric musste bescheinigen, dass hier keine französischen Industriepatente ins Ausland verhökert werden.
Siemens hat mit seinen japanischen Gelegenheitsverbündeten Mitsubishi und Hitachi den Übernahmepoker verloren. Bei Siemens bleibt man laut Pressemitteilung dabei, dass das deutsch-japanische Projekt „die bessere Offerte“ gewesen wäre. Doch Siemens-Chef Joe Kaeser will ein fairer Verlierer sein. Siemens habe „Verständnis“ dafür, dass nationale Interessen der französischen Staatsführung den Ausschlag gaben.
Im Nachhinein fragt man sich in Paris immer noch, ob Siemens ein glaubwürdiges Interesse an den Alstom-Technologien hatte oder ob die hastig mit Mitsubishi ausgeheckte Gegenoffensive nur ein Versuch war, den mächtigen US-Konkurrenten daran zu hindern, in wichtigen Bereichen der Energieproduktion seine internationale Vormachtstellung auszubauen und in Europa verstärkt Fuß zu fassen. Zwar wollte auch Siemens unter dem Motto „Partnerschaft statt Übernahme“ den französischen Patriotismus bedienen, letztlich bewirkte das überraschende Auftauchen der Japaner aber das Gegenteil.
Priorität der Pariser Regierung hatte die Verteidigung der Arbeitsplätze und einer Technologie von strategischer Bedeutung. Diese Rechnung scheint aufzugehen. Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg lässt sich als Sieger feiern. Die staatliche Beteiligung kostet ihm zufolge die Steuerzahler keinen Cent, da im Gegenzug Aktien anderer Unternehmen verkauft würden, um die erforderlichen 2 bis 2,4 Milliarden zu stemmen.
Dass Montebourg in Zeitnot geraten war, hatte man hingegen beim Baukonzern Bouygues begriffen, der mit dem Staat knallhart über den Verkaufspreis seiner Alstom-Aktien (zwischen 28 und 35 Euro pro Stück) verhandelte. Noch vor Öffnung der Pariser Börse am Montag musste das Geschäft besiegelt sein.