: Der Ausländer als Fetisch
Beim Totenfest auf Sulawesi gibt es Büffel für alle. Auf einem Büffel reitet die Seele ins Jenseits, daher sind sie für Totenfeiern unersetzlich. Wenn ein Totenfest ansteht, benachrichtigen die Angehörigen die kleinen Reiseagenturen
von STEFAN SCHOMANN
Im schmucken Dorf Palawa auf Suwalesi, der indonesischen Insel zwischen Borneo und Neuguinea, steht ein Totenfest an. Ein schon vor Monaten gestorbener Bewohner soll damit endgültig verabschiedet werden. Und so strömen Tausende von Gästen in die Berge des Torajalandes [sprich: Toradscha], um ein rauschendes Begräbnis zu feiern. Unterhalb des Dorfs sind sechs Büffel an mächtigen Megalithsteinen angebunden, die hier seit undenklichen Zeiten im Kreis stehen. Unter lebhafter Teilnahme des Publikums werden sie geschlachtet und zerlegt. Ihr Leid soll das des Toten spiegeln. Zwei hölzerne Türme ragen aus dem Kreis, einer für den Sarg, der andere für das Fleisch. Ein Ausrufer mit Megafon verteilt das Fleisch unter die Gäste. Die Angehörigen des Verstorbenen treten in einen Wettstreit der Verausgabung: Wer mehr Tiere opfert, erbt auch mehr.
Büffel spielen in der Torajakultur eine zentrale Rolle. Landauf, landab sieht man sie angepflockt in den Feldern stehen, wie Felsen im Schatten liegen oder schlammglänzend in der Sonne leuchten. Sie werden gefüttert, gewaschen, gestriegelt – arbeiten jedoch sieht man sie fast nie. Die Milch wird nur gelegentlich getrunken, das Fleisch steht selten auf dem Speiseplan, die Häute interessieren kaum. Wozu also hält man sie? Der Büffel besitzt keinen Wert, er ist der Wert. Valuta einer uralten symbolischen Ökonomie aus Zeiten, als noch getauscht statt gekauft und nicht gespart, sondern geopfert wurde. Auf einem Büffel reitet die Seele ins Jenseits, daher sind sie für jede Totenfeier unersetzlich.
Der Leichenschmaus währt eine ganze Woche lang. Er wird als Familientreffen, Heiratsmarkt, Tauschbörse und Arena der Lokalpolitik genutzt. Er dient der Kommunikation und Vermittlung. Nur der Pfarrer hält sich auffallend zurück. Junge Männer tragen den Sarg schließlich in einer Sänfte zum Felsengrab. Touristen sind bei solchen Feiern ausdrücklich willkommen. Aus demselben Grund, aus dem Asiaten sich so gerne in ihrer Gesellschaft fotografieren lassen – um zu zeigen, dass sie weiße „Freunde“ haben. Der Ausländer als Fetisch. Wenn ein Totenfest ansteht, benachrichtigen die Angehörigen die kleinen Reiseagenturen in den Küstenstädten, die gerne einen Zuschuss leisten, um ihren Kunden aus aller Welt solch ein rares Spektakel bieten zu können. Dank sei den Ahnen!
Nichts spricht sich schneller herum als eine Totenfeier. Die örtlichen Reiseführer oder die Agenturen in der Inselhauptstadt Ujung Pandang wissen meist, wo gerade ein Fest stattfindet