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Archiv-Artikel

Neuigkeiten aus der Abhör-Welt

URTEIL Andy Coulson wird im „News of the World“-Prozess schuldig gesprochen. Rebekah Brooks ergeht es besser, doch Premier Cameron hat trotzdem ein Problem

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Es war einer der längsten Strafprozesse in der britischen Rechtsgeschichte. Im Verfahren um die illegalen Abhörpraktiken der News of the World sprach eine Jury am Londoner Old Bailey den früheren Chefredakteur des Boulevardblatts, Andy Coulson, nach fast 140 Prozesstagen schuldig. Er sei zwischen 2000 und 2006 in das Anzapfen von Telefonen involviert gewesen. Seine Vorgängerin Rebekah Brooks, ihr Ehemann Charlie Brooks und weitere Angeklagte wurden hingegen freigesprochen.

Insgesamt wurden im Auftrag der News of the World mehr als 4.000 Telefone angezapft, unter den Opfern waren Prominente und Politiker, Soldatenwitwen und Angehörige von Opfern der Londoner Terroranschläge im Jahr 2005. Damals hatte bereits Andy Coulson die Chefredaktion von Brooks übernommen. Darüber hinaus hatten Mitarbeiter des Blattes die Handy-Mailbox der vermissten und später tot aufgefundenen 13-jährigen Milly Dowler abgehört. Als das bekannt wurde, machte Verleger Rupert Murdoch das Sonntagsblatt im Sommer 2011 dicht.

Camerons Entschuldigung

Coulson war bereits 2007 zurückgetreten, nachdem die Bespitzelung der Royals ans Licht gekommen war. Wenige Monate später stellte David Cameron, damals noch Oppositionsführer der konservativen Tories, ihn als Pressechef ein – ohne die eigentlich übliche Prüfung seiner Integrität.

Cameron hat Coulson nie nach seiner Rolle in der Abhöraffäre gefragt. Er hat Coulson zu einer zentralen Figur seines engsten Kreises und 2010 zum Regierungssprecher gemacht. Coulson hatte Zugang zu streng geheimen Dokumenten und war während des Irakkrieges bei Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates anwesend. Erst im Januar 2011 trat er zurück, weil sich die Dimension des Skandals nicht mehr ignorieren ließ. Er beteuerte aber weiterhin seine Unschuld.

Cameron sagte vor zwei Jahren vor einem Untersuchungsausschuss: „Ich habe mich auf sein Wort verlassen.“ Schließlich haben das auch der Presserat, der Unterhaus-Ausschuss, die Polizei und die Staatsanwaltschaft getan, fügte Cameron hinzu. Doch zu der Zeit hatten weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft oder der Unterhaus-Ausschuss überhaupt mit Coulson gesprochen. Ein Sprecher von Cameron deutete gestern an, dass der Premierminister demnächst eine „umfassende Entschuldigung“ abgeben werde.

Noch zu Prozessbeginn bekannte sich Coulson nicht schuldig. Während des Verfahrens räumte er dann überraschend ein, dass er 2004 eine Mailbox-Nachricht vom angezapften Telefon des damaligen Innenministers David Blunkett gehört habe. Darüber hinaus gab er im April zu, die Bestechung eines Polizisten genehmigt zu haben. Der damalige Königshausreporter Clive Goodman hatte ihn 2003 um Erlaubnis gebeten, einem Polizisten das Telefonbuch der Königsfamilie für tausend Pfund abzukaufen.

Rebekah Brooks, die nach Bekanntwerden des Abhörskandals weltweit auf den Titelblättern zu finden war, reagierte erleichtert auf den Freispruch und hauchte den Geschworenen ein „Thank you“ zu. Murdoch dürfte ebenfalls erleichtert sein, denn er hatte sie protegiert, seit sie im Alter von 20 Jahren in seinem Medienimperium angefangen und eine steile Karriere gemacht hatte.

Für Coulson ist die Sache noch nicht vorbei. Die Geschworenen sind bei zwei anderen Anklagepunkten zu keinem einstimmigen Urteil gelangt. Der Richter schickte sie zu weiteren Beratungen in Klausur und erklärte ihnen, sie dürften mit einer Mehrheitsentscheidung zurückkommen, falls sie sich nicht einigen können. Coulson muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen.