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Die Zukunft im Osten: Kürzen, kürzen, kürzen

Die neuen Bundesländer leben über ihre Verhältnisse und müssen sparsamer wirtschaften. Das zeigt eine Studie beispielhaft für Sachsen-Anhalt. Statt langfristiger Maßnahmen setzen viele Regierungen jedoch auf Paniksparen

DRESDEN/BERLIN taz ■ Die winterlichen Meldungen aus dem Osten Deutschlands klingen kurios: Brandenburgs Polizisten drohen damit, keine Strafzettel mehr zu verteilen. In Sachsen-Anhalt kündigen Polizeibeamte an, sich vor das Haus des Ministerpräsidenten zu stellen und die Besinnlichkeit am Jahresende mit Gesang zu stören.

Der Grund ist jedes Mal der gleiche: Die Regierungen der fünf neuen Länder wollen kürzen – dieses Mal beim Geld für Beamte. Denn 2019 läuft der Solidarpakt aus, bereits ab 2007 fließt von Jahr zu Jahr weniger Geld in den Osten. Die Länder sind zudem oft hoch verschuldet. Angesichts sinkender Einnahmen bei mieser Kassenlage reagieren die Regierungen mit Streichungen. Deren Muster ähneln sich: Sie treffen vor allem jene, die entweder kaum eine Lobby haben oder sich nicht mit Streiks wehren dürfen: Blinde, Kulturschaffende und Beamte. Außerdem werden sie ohne vorherige öffentliche Diskussion mit harter Hand durchgedrückt, mit der Begründung, es gebe keine Alternativen. Tatsächlich aber gehen die Ministerpräsidenten zwischen Schwerin und Erfurt langfristigen und effektiveren Maßnahmen wie dem Zusammenlegen von Gemeinden aus dem Weg, weil sie dort größeren Unmut fürchten.

Dass Ostdeutschland über seine Verhältnisse lebt, ist dabei klar. Ein neue Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) und des Dresdener Demografieforschers Helmut Seitz bestätigt dies exemplarisch für Sachsen-Anhalt. IWH-Wirtschaftsexperte Joachim Ragnitz und sein Kollege Reitz stellten fest, dass das „Frühaufsteher-Land“, so die Eigenwerbung, beim Thema Ausgabenkontrolle bisher wohl zu lange geschlafen hat. Die Regierung in Magdeburg gibt laut der Studie nämlich etwa 1,3 Milliarden Euro mehr aus als ein vergleichbar finanzschwaches westdeutsches Land. Ein Mammutanteil dieser Kosten sind Ausgaben fürs Personal. Das Land müsste in den nächsten drei Jahren eigentlich über 8.000 seiner 51.400 Vollzeitstellen abbauen. In den Gemeinden müssten noch zusätzlich knapp 7.000 wegfallen.

Der Auftraggeber der Studie, Sachsen-Anhalts SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn, weiß das. Erst Ende Oktober legte er ein Personalentwicklungskonzept vor, das eigentlich ein Personalabbaukonzept ist. Bullerjahn will bis 2020 fast jede dritte Stelle streichen, das Kabinett hat dem inzwischen zugestimmt. Dennoch bleibt Sachsen-Anhalt mit 20 Milliarden Euro Miesen in der Kasse nach dem Saarland das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung.

Das Fazit der Studie: Sachsen-Anhalt muss weiter sparen. Seitz und Ragnitz verweisen auf die schwindenden Mittel aus dem Solidarpakt. Verschärft wird der finanzielle Druck durch Abwanderung und Geburtenrückgang gerade in den armen Regionen Ostdeutschlands. Dadurch wird das Steueraufkommen der armen Länder noch weiter sinken. Selbst für das verhältnismäßig wohlhabenden Sachsen rechnet der Dresdener Experte Seitz mit einem Rückgang um ein Viertel.

Sachsen-Anhalt, aber auch Mecklenburg-Vorpommern versuchen mit Gemeindegebietsreformen gegenzusteuern. Sachsen laboriert ebenfalls an einer solchen herum. Die Rechnung lautet: Weniger selbstständige Gemeinden gleich weniger Personal gleich geringere Kosten. In beiden Ländern gibt es gegen derartige Pläne allerdings seit Jahren hartnäckigen Widerstand aus den Kommunen, sodass die Regierungen vor diesen unpopulären Maßnahmen immer wieder zurückschreckten.

Auch Thüringen schiebt eine solche Reform seit langem vor sich her. Stattdessen streicht die allein regierende CDU lieber beim Blindengeld und bei Kitas. Außerdem verkündete die Landesregierung den Theatern und Orchestern aus heiterem Himmel Kürzungen von 10 Millionen Euro, einige werden dichtmachen müssen. Die Musiker protestierten mit einem 13-stündigen Musikmarathon, wollten mit Erfurt zumindestens einen Dialog erzwingen. Ohne Erfolg. Die Streichungen seien alternativlos, tönt es aus der Landeshauptstadt. Ebenso sieht es in Brandenburg aus, wo Ministerpräsident Matthias Platzeck zum neuen Jahr erklärte, dass es zwar Gespräche mit den Beamten geben werde, an den Kürzungen aber nichts zurückzunehmen sei. Weitere Proteste sind angekündigt. M. BARTSCH, D. SCHULZ

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