Gesundheit: Reform in Not

Gesundheitsreform soll zwei Wochen später verabschiedet werden. CSU will Änderungen

Straubinger: „Die CSU will noch grundsätzliche Änderungen“

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Die Zeit wird knapp für die Gesundheitsreform: In einem Brief an die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion hat Fraktionsvorsitzender Volker Kauder (CDU) den lieben Kolleginnen und Kollegen gestern mitgeteilt, dass „wir das Gesetz erst in der Sitzungswoche vom 29. Januar im Bundestag verabschieden.“ Die Abstimmung soll also um zwei Wochen verschoben werden. Der Reformstart im April ist damit nur einzuhalten, wenn das Gesetz die Länderkammer Anfang März glatt passiert.

Die SPD-Fraktion allerdings wusste von nichts: „Wir bleiben bei unserem Zeitplan und werden dann weitersehen“, sagt ein Sprecher der Fraktion. Die Mitglieder wollen am kommenden Montag zu einer lange geplanten Sondersitzung zusammenkommen. Auch das SPD-geführte Gesundheitsministerium reagiert nur leicht beunruhigt auf die Änderung des Debatten-Zeitplans: „Für uns ist wichtig, dass das Inkrafttreten zum 1. April gesichert ist“, sagte eine Sprecherin.

Dabei bleibe es, schreibt Kauder den Kollegen: „Die Gesundheitsreform wird wie geplant zum 1. April in Kraft treten.“ Doch das liest sich allenfalls wie ein guter Vorsatz. Denn nicht nur der Zeitplan, auch die im Sommer verabredeten Eckpunkte der Reform sind innerhalb der Union strittig. „Beschlossen wurde noch gar nichts. Ich gehe davon aus, dass es in den Fraktionen noch um grundsätzliche Änderungen gehen wird“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, der taz. So etwa im Bereich der Privaten Krankenversicherung (PKV) und beim Gesundheitsfonds.

Union und SPD hatten in den Eckpunkten vereinbart, dass alle gesetzlich Versicherten ab 2009 einheitliche Beiträge in einen Gesundheitsfonds einzahlen. Aus dem Fonds wird das Geld an die rund 250 Kassen ausgeteilt. Die privaten Kassen sollen ihren Mitgliedern ab nächstem Jahr einen Basistarif anbieten, und zwar ohne Ansehen von Gesundheitszustand und Alter. Dies bedeutet aber einen Bruch mit dem Prinzip der Privatversicherer, die mit billigen Prämien gezielt um Junge und Gesunde werben und von Kranken und Alten Risikozuschläge verlangen. Die privaten Krankenkassen fürchten um ihr Geschäftsmodell, die unionsregierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen befürchten Milliardenverluste für die ortsansässigen Ärzte und Krankenhäuser infolge des Gesundheitsfonds.

Die Verschiebung der Debatte diene der CSU hauptsächlich dazu, sich ernsthaft von der Reform der Privatversicherungen zu verabschieden, so der Eindruck des SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Eine weitere Verwässerung der PKV-Reform ist für die SPD absolut nicht akzeptabel“, sagte Lauterbach der taz. Doch Eile sei dennoch nicht geboten, meint Lauterbach: er plädierte erneut dafür, das Kernstück der Reform, den Gesundheitsfonds, auf 2010 zu verschieben. Sonst bleibe nicht genügend Vorbereitungszeit, zumal der Fonds gegen den Willen aller Beteiligten eingeführt werde.

Noch in dieser Woche rechnet Gesundheitsministerin Ulla Schmidt mit einem neuen Gutachten, in dem vorgerechnet wird, wie die Milliarden aus dem Gesundheitsfonds zwischen den Ländern bzw. den dortigen Kassen verteilt werden. Damit will Schmidt die Befürchtungen der Unionsländer zerstreuen. Die Grünen und die Linke forderten derweil erneut, die Reform ganz zu stoppen und zurück auf Los zu gehen.

Krank? Na und! Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) diskutiert mit taz-Lesern über die Gesundheitsreform: Dienstag, 9. 1. 2007, 19.30 Uhr, Rosenthalerstraße 40/41, Berlin-Mitte