: Über 24 Stunden im eigenen Kot gelegen
Ein jetzt veröffentlichter FBI-Bericht listet dutzende von Fällen auf, in denen Häftlinge des US-Gefangenenlagers Guantanamo Bay grausam misshandelt worden sein sollen. Verantwortlich dafür sollen Militärbeamte als auch private Wachdienste sein
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
Mindestens 26 Fälle von möglichen Häftlingsmisshandlungen hat die US-Bundespolizei FBI auf dem US-amerikanischen Militärstützpunkt und Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba dokumentiert. Dies geht aus einem Bericht hervor, der am Dienstag auf Antrag der Amerikanischen Union für Bürgerrechte (ACLU) auf der Internetseite des FBI veröffentlicht wurde. Die Unterlagen basieren auf der Befragung von allen 493 FBI-Mitarbeitenden, die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in dem Gefangenenlager waren.
Die Untersuchung habe auch ergeben, dass kein FBI-Mitarbeiter an Misshandlungen oder fragwürdigen Verhörmethoden beteiligt gewesen sei, heißt es in dem Bericht. Laut den Protokollen sollen etliche von ihnen Zeugen von aggressiven Misshandlungen der Häftlinge und besonders harten Verhörmethoden durch Mitarbeiter anderer US-Dienste und Vertragsmitarbeiter in Guantánamo geworden sein, die nicht im Einklang mit den dort geltenden Regeln stünden.
Mehrfach hätten FBI-Mitarbeiter gesehen, wie vor allem die religiösen Gefühle der Häftlinge gezielt verletzt worden seien, so der Bericht. So soll sich im Oktober 2002 ein Kapitän der Marine provokativ während der Befragung eines muslimischen Gefangenen über den Koran wie über ein Klo gehockt haben. In einem anderen dokumentierten Vorfall im gleichen Monat sei einem „vollbärtigen Häftling der Kopf vollständig mit Klebeband umwickelt worden, weil er nicht aufhörte, Koranverse zu rezitieren“, was ein ziviler Mitarbeiter „so lustig fand, dass er diese Methode allen Kollegen empfahl“.
In den FBI-Protokollen beschreiben die Beamten, „wie Gefangene an Händen und Füßen gefesselt in Embryonalstellung am Boden der Verhörräume über 18, 24 oder mehr Stunden ohne Nahrung oder Wasser“ gelegen hätten. Vielfach hätten die hilflosen Häftlinge dabei im eigenen Urin und Kot liegen müssen. Andere Gefangene seien bei heruntergeregelter Klimaanlage „zitternd vor Kälte“ oder in ungelüfteten, brütend heißen Räumen eingesperrt worden, einer habe sich dabei vor Verzweiflung „die Haare ausgerissen“. Ferner soll ein weibliches Mitglied des Wachpersonals einen Inhaftierten sexuell gedemütigt haben. Bei einem besonders perfiden Vorfall soll ein Befrager gegenüber einem FBI-Beamten damit angegeben haben, dass er einen Gefangenen stundenlang gezwungen habe, sich „satanische Black Metal Musik“ anzuhören, sich als katholischer Priester verkleidet und den Gefangenen dann zum Spaß „getauft“ habe.
Verantwortlich für die Misshandlungen sind dem Bericht zufolge sowohl Militärbeamte als auch private Wachdienste. Einige von ihnen sollen den FBI-Beamten auf Nachfrage erklärt haben, dass die Verhörpraktiken von Vertretern des Verteidigungsministeriums gebilligt worden seien, darunter dem früheren Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. In keinem Fall aber seien Exzesse beobachtet worden wie im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib, betont der Bericht.
Die Veröffentlichung der FBI-Unterlagen aus dem Jahr 2004 hatte die einflussreiche Bürgerrechtsunion ACLU für ihren Rechtsstreit im Interesse der Misshandelten angefordert. ACLU hat wegen der Vorfälle in Guantánamo den früheren Verteidigungsminister Rumsfeld verklagt. US-Präsident George W. Bush hatte im Oktober „verschärfte Verhörmethoden“ per Gesetz genehmigt, diese aber nicht näher definiert. ACLU-Anwalt Jameel Jaffer sagte, die Unterlagen belegten, dass eine schärfere Kontrolle seitens des Kongresses dringend nötig sei.
Zum Teil waren die dokumentierten Fälle schon an die Öffentlichkeit gelangt. Das US-Militär hatte, nachdem 2005 nach vermeintlichen Koranschändungen durch US-Personal in Afghanistan bei Protesten Menschen getötet und verletzt worden waren, eine Untersuchung des Umgangs mit dem Koran in Guantánamo angeordnet. Dabei waren fünf Fälle von Misshandlungen bekannt geworden, bei denen der Koran getreten und mit Urin geschändet worden sei.
Der designierte Vorsitzende des Justizausschusses im neu gewählten Senat, der demokratische Politiker Patrick Leahy, sagte, die Behandlung von Gefangenen werde im neuen Kongress eine wichtige Rolle spielen.