: Und dazu Schinkenbrot mit Ei
AQUAVIT Kümmel ist ein typisch skandinavisch-niederdeutscher Schnaps. In Hamburg wird er sogar bei Staatsempfängen ausgeschenkt. Einige Sorten reifen auf dem Schiff
VON JOHANN TISCHEWSKI
Egal ob zu Matjes, zu Grünkohl oder zu Steckrüben,– Aquavit passe irgendwie immer, findet der Hamburger Traditionskoch Dirk Kowalke vom Fischereihafen Restaurant. Am liebsten serviere er die norddeutsche Version des Gewürzschnapses: den Kümmel – und zwar eisgekühlt und nach dem Essen als Digestif.
Die Geschichte der Spirituose, plattdeutsch „Köm“ genannt, ist eng mit der Geschichte der Küstenregionen verbunden. Die Kümmelpflanze ist eine der ältesten in Europa nachweisbaren Gewürz- und Heilpflanzen. In der Norddeutschen Tiefebene wird sie schon seit dem Mittelalter mit Alkohol versetzt als Medizin angeboten. Der moderne Aquavit stammt jedoch aus Skandinavien.
Bereits 1531 schickte der dänische Graf Eske Bille ein paar Fässer des Schnapses an Olav Engelbrektsson, den letzten katholischen Erzbischof Norwegens, und nannte das Getränk in einem beiliegenden Brief Aquavit – „Lebenswasser“. Heute gilt Aquavit als Nationalgetränk fast aller skandinavischen Länder.
In Norddeutschland wird spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts moderner Kümmelschnaps gebrannt. Die Gewürzmischung wurde gegenüber dem skandinavischen Aquavit leicht verändert, der Alkoholgehalt von durchschnittlich 42 Prozent auf etwa 38 Prozent reduziert. Aber ansonsten bleibt die Herstellung die gleiche.
Basis ist hochprozentiger, sehr reiner, fast geschmacksneutraler Alkohol aus Getreide oder Kartoffeln. Dieser wird zusammen mit den Kümmelsamen und einer markenspezifischen Gewürzmischung destilliert. Der Mittellauf des Destillats – das „Herz“ – wird vom Vor- und Nachlauf getrennt, mit neutralem Alkohol und Wasser auf die gewünschte Konzentration getrimmt.
Deutscher Marktführer im Kümmelsegment ist nach eigenen Angaben der Hamburger Helbing Kümmel, der in diesem Jahr sein 175stes Jubiläum feiert. Die Spirituose wird auch in Regierungskreisen geschätzt. So schenkt der Speiseservice des Rathauses den heimischen Kümmel regelmäßig bei Staatsempfängen aus. „Allerdings nur, wenn es dem Charakter des Empfanges entspricht und auch nur in Maßen“, betont Senatssprecherin Kristin Breuer.
Besonders bekannt sind der Malteserkreuz Aquavit, der nach dänischem Rezept in Buxtehude hergestellt wird, und Bommerlunder aus dem emsländischen Haselünne, den die Toten Hosen besangen.
Eine Besonderheit stellt der Linie Aquavit dar. Er reift in Sherryfässern aus Eichenholz, die auf ein Schiff verladen werden, das mindestens zweimal den Äquator überqueren muss. Durch die Bewegung der Fässer und die Seeluft reift Kennern zufolge ein besonders weicher Aquavit heran. Der Marktführer Lysholm verzeichnet auf den Etiketten den Schiffsnamen und das Datum der Äquatorüberquerung.
Und auch der Kieler-Sprotte-Aquavit muss eine Seefahrt über sich ergehen lassen, bevor er in den Handel gelangen darf. Allerdings muss er weder den Äquator überqueren noch um die halbe Welt reisen: Ihm reicht eine Fahrt über die Kieler Förde.