: Ein Leben voller Schmerzen
Drei Monate nach dem Fund der Leiche des zweijährigen Kevin liegt das rechtsmedizinische Gutachten vor: Danach ist der Junge eindeutig an den Folgen körperlicher Misshandlung gestorben
von Eiken Bruhn
Das Kind Kevin ist an den Folgen körperlicher Misshandlung gestorben. Zu diesem Schluss kommen Bremer und Hamburger Gerichtsmediziner, deren gemeinsames Gutachten gestern von der Bremer Staatsanwaltschaft vorgestellt wurde. 24 Knochenbrüche zählten die Mediziner. Sechs datieren sie auf den September 2004, als der neun Monate alte Junge verletzt in die Klinik eingeliefert worden war. Die anderen Verletzungen sollen ihm in seinen letzten vier Lebensmonaten zugefügt worden sein, als Kevin mit dem Lebensgefährten seiner im November 2005 gestorbenen Mutter lebte.
„Als makabres Detail“ wertete Oberstaatsanwalt Dietrich Klein die Erkenntnis, dass viele der Brüche so genannte Refrakturen waren. So waren Kevins linkes Schienbein, seine linke Ellenbogenspeiche, ein Oberarm dreimal, sein Schädel zweimal gebrochen. Solche Verletzungen seien typisch für misshandelte Kinder, so Klein. Bernd K. hatte behauptet, Kevin habe sich im Haushalt verletzt. Zustande gekommen seinkönnten die Verletzungen durch Schlagen des Kopfes auf eine harte Fläche, durch Stauchen, Schlagen oder Verdrehen der Gliedmaßen. Die Rippenbrüche könnten von einem Zusammendrücken des Brustkorbs stammen, führte Klein aus. Dass Kevins Mutter ihren Sohn misshandelt haben könnte, schloss er aus. „Laut Zeugenaussagen war sie eine besorgte Mutter.“
Zum Tode Kevins führten die letzten fünf Brüche, unter anderem des Oberschenkelknochens, die eine so genannte Fett-Embolie auslösten. Dabei gelangen Fetttröpfchen in die Blutbahn, bei Kevin kam es daraufhin zu einem Herzstillstand. Den Todeszeitpunkt konnten die Mediziner nicht bestimmen, da die Leiche des Kindes schon zu stark verwest war. Die Staatsanwaltschaft geht derzeit davon aus, dass Kevin im Zeitraum Ende April bis Ende Mai dieses Jahres gestorben ist. Gefunden haben ihn Polizisten im Oktober, als das Jugendamt Kevin in eine Pflegefamilie geben wollte – im Kühlschrank seines Stiefvaters. Näher eingrenzen ließe sich der Todeszeitpunkt nur in Zusammenhang mit weiteren Zeugenaussagen, so der ermittelnde Staatsanwalt.
Als unbrauchbar könnte sich dabei der Eintrag des Methadon-Arztes von Kevins Stiefvater herausstellen, der sich im Juli notierte, Kevin und Bernd K. gesehen zu haben. In seiner Zeugenbefragung habe der Arzt eingeräumt, dass die Notiz ein Falsch-Eintrag sein könne, so der ermittelnde Staatsanwalt Daniel Heinke. Auch gegen diesen Arzt, der sich stets dafür eingesetzt hatte, dass Kevin bei seinem Stiefvater bleibt, läuft ein Ermittlungsverfahren. Ihm wird ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen, weil er Bernd K. zusätzlich zum Methadon noch andere, unerlaubte Präparate verschrieben hatte. Weitere Ermittlungsverfahren laufen gegen den für Kevin zuständigen Fallmanager im Jugendamt und den Amtsvormund, der das Sorgerecht für das Kind hatte.
Bernd K. befindet sich derzeit in Untersuchungshaft in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung im Klinikum Ost. Er wird verdächtigt, Kevin schwer misshandelt und Hilfe unterlassen zu haben. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft hat er sich bisher nicht zu den Umständen von Kevins Tod geäußert. Anklage kann erst erhoben werden, wenn ein psychiatrisches Gutachten zur Schuldfähigkeit vorliegt. Das Ermittlungsverfahren gegen Bernd K. zum Tod von Kevins Mutter wurde mittlerweile eingestellt. Der Verdacht, ihr tödlicher Milzriss sei auf Schläge ihres Freundes zurückzuführen, konnte nicht erhärtet werden.