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Archiv-Artikel

Verpasst? „24“ kommt aus dem Takt

Von CLEM

„24“, seit Mi., 21.10 Uhr, RTL II

Es war nur eine ironische Notiz am Rande einer Serie, die es für gewöhnlich ziemlich ernst meint. Todernst geradezu. Gleich zu Beginn dieser inzwischen fünften „24“-Staffel sitzt Terroristenjäger Jack Bauer (Kiefer Sutherland) vor einem tragbaren Fernseher, der bereits die Amtseinführung von Ronald Reagan erlebt haben dürfte. Das betagte TV-Gerät wird zum sinnbildlichen Kontrapunkt dieser ausgezeichneten (16 Emmies, 2 Golden Globes) TV-Erzählung. Steht „24“ doch gewissermaßen für High Definition TV. Als radikaler Bruch mit bisherigen Seriengewohnheiten wurde der Echtzeit-Thriller mit den vielen digitalen Gadjets und den metallenen Oberflächen gefeiert. Jede Staffel ein Tag im Kampf der mehr oder minder Guten gegen das Böse. Das verspricht Suspense im tatsächlichen Minutentakt.

Und in der Tat wirkte „24“ stilprägend – bis hinein in den „Tatort“ zum Beispiel. Der vielleicht beste Film der ARD-Reihe bewegte sich parallel zum Frankfurt-Marathon und wurde zudem noch am Austragungstag des Laufs gesendet. Wo im „Tatort“ allerdings die vielfüßige Läuferschar das Taktmaß gab und den Zuschauer somit permanent über den zähen Lauf der Zeit informierte, ist ausgerechnet diesen ersten drei Folgen der neuen „24“-Staffel jegliches Zeitgefühl verloren gegangen. Nicht nur aufgrund der vielen Toten und Verfolgungsjagden. Jede angebliche Minute war so vollgepackt mit Scharfschützen und Computerhackern, mit Psychopharmaka schluckenden Präsidentengattinnen und Hybrid-Auto fahrenden Agentinnen, dass es genauso gut eine Stunde sein könnte. Und jede Stunde (Folge) ein Tag. Was wiederum – und wohl deshalb und als schale Vergewisserung die permanent eingeblendeten Uhrzeiten – das Konzept der Serie obsolet werden lässt.

Denn einmal abgesehen vom dramaturgischen Kniff der „24 Stunden“ bleibt „24“ ein ziemlich gewöhnlicher Actionthriller. Zudem einer, dem eine tiefgreifende Erkenntnis von Friedrich Wilhelm Murnau, Alfred Hitchcock oder David Lynch abhanden gekommen ist: dass Spannung entsteht, wenn sich die Zeit dehnt, wenn die Sekunden zerreißen. Spätestens mit dieser Staffel scheint „24“ verlernt zu haben, sich Zeit zu nehmen. CLEM