piwik no script img

Archiv-Artikel

Mounir al-Motassadeqs letzte Prozesstage

Gericht verhandelt erneut gegen den mutmaßlichen Beteiligten an den New-York-Attentaten. 15 Jahre Haft drohen

HAMBURG taz ■ Die dritte Runde soll die letzte sein. Das Hamburgische Oberlandesgericht will in den nächsten Tagen den Prozess gegen den Mitwisser der Septemberanschläge, Mounir al-Motassadeq, endgültig abschließen. Heute wird das Verfahren gegen den 32-jährigen Marokkaner erneut eröffnet, der seit 2002 vor Gericht steht. Er wird beschuldigt, an den New Yorker Terroranschlägen vom 11. September 2001 beteiligt gewesen zu sein.

Dass Motassadeq in deren Vorbereitungen eingebunden war, steht für den Bundesgerichtshof (BGH) außer Frage. Das oberste Gericht hat aber von der Hamburger Kammer verlangt, die Strafe neu festzusetzen. Das Oberlandesgericht hatte Motassadeq im August 2005 zu 7 Jahren Haft verurteilt, nun drohen ihm 15 Jahre.

Motassadeq war oft in der Hamburger Wohngemeinschaft des Todesfliegers Mohammed Atta zu Gast, in der drei der Attentäter lebten. Wegen Beihilfe zum 3.045-fachen Mord hatte das Oberlandesgericht ihn im ersten Prozess 2003 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Eine andere Kammer erkannte im zweiten Verfahren aber nur auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und senkte die Strafe auf 7 Jahre Gefängnis ab. Diese Entscheidung hob der BGH vorigen November wiederum auf: Zwar bestätigte er sämtliche Tatsachenfeststellungen des Oberlandesgerichts, zog daraus aber andere Schlussfolgerungen: Motassadeq, so die obersten Richter, habe sich der Beihilfe zum Mord in 246 Fällen schuldig gemacht.

An diese Entscheidung ist das Hamburger Gericht gebunden. Der Kammer obliegt alleine, das Strafmaß erneut festzusetzen. „Wir sind wie ein Boxer, der k.o. ist, ehe er in den Ring steigt“, sagt Motassadeqs Verteidiger Ladislav Anisic. Im Gefängnis ist der Marokkaner bereits. Nach seinem Urteil im November hatte hatte die Bundesanwaltschaft den zuvor auf freiem Fuß befindlichen Verdächtigen in Untersuchungshaft nehmen lassen.

Motassadeqs Anwälte sind inzwischen vors Verfassungsgericht gezogen. Sie haben Beschwerde gegen das BGH-Urteil eingereicht: „Die Entscheidung ist von Willkür getragen“, meint Anisic. Für den Anwalt ist es nicht zwingend, dass der Fall Motassadeq bald abgeschlossen sein wird. Inzwischen ist der Aufenthaltsort des bekennenden Mitattentäters Ramzi Binalshibh sowie der von Mohammed Zammar bekannt, der eine Kontaktperson Mohammed Attas gewesen sein soll. Sie könnten theoretisch als Zeugen über die Beteiligung Motassadeqs aussagen. Denkbar wäre deshalb, zu einem späteren Zeitpunkt eine Wiederaufnahme zu beantragen. Allerdings ist Binalshibh für die Justiz unerreichbar in Guantánamo interniert. ELKE SPANNER