: Vegetarier tun mehr fürs Klima
Nach einer neuen Studie der Welternährungsorganisation ist die Viehzucht fürs Klima schädlicher als der Verkehr
BERLIN taz ■ „Was verursacht mehr Treibhausgasemissionen: Viehzucht oder Autofahren?“ Diese Frage stellt die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) – und beantwortet sie auch gleich selbst in einer neuen Studie namens „Der lange Schatten des Viehs“: Weltweit erzeugen rund 1,5 Milliarden Rinder, 1,7 Milliarden Schafe und Ziegen sowie unzählige Schweine und Hühner 18 Prozent der weltweit freigesetzten Treibhausgase und damit mehr als der gesamte Transportsektor.
Und nicht nur das Klima wird geschädigt. Hinzu kommen Brandrodung, Überweidung und Erosion, der Verlust von Artenvielfalt sowie die Verschwendung von Wasser und seine Verschmutzung mit Dünger, Antibiotika und den beim Anbau von Viehfutter besonders großzügig verwendeten Pestiziden. „Die Viehwirtschaft gehört zu den Verursachern von einigen der schlimmsten Umweltprobleme“, urteilt Henning Steinfeld, leitender Autor der Studie.
Immer mehr Menschen und immer mehr Wohlstand bedeutet überproportional viel mehr Konsum von Fleisch, Eiern und Milchprodukten. Der Fleischkonsum dürfte sich nach FAO-Hochrechnungen von 229 Millionen Tonnen um die Jahrtausendwende auf 465 Millionen Tonnen im Jahr 2050 glatt verdoppeln. Bei der Milch ergibt sich ein ähnlich steiler Anstieg auf dann 1.043 Millionen Tonnen.
Kein Bereich in der Landwirtschaft wächst so schnell wie die Viehzucht. 1,3 Milliarden Menschen finden hier ihr Auskommen. Der Boom, so die FAO, findet derzeit vor allem in der industriell angelegten Schweine- und Geflügelzucht statt. Die Organisation warnt zugleich vor den Auswirkungen dieser enormen Zuwachsraten: „Die Umweltauswirkungen müssen pro Stück Vieh halbiert werden, wenn Schäden über das bisherige Niveau hinaus vermieden werden sollen“, heißt es in der Studie.
Auf einem Drittel der weltweit verfügbaren Ackerfläche werden inzwischen Pflanzen fürs Vieh und nicht für Menschen angebaut. Weiden und die Felder, auf denen das Viehfutter angebaut wird, bedecken inzwischen fast 30 Prozent des Festlandes – nicht zuletzt auch da, wo noch vor kurzem Regenwald stand. Die Rodung der Wälder trägt wiederum zur Erderwärmung bei. Rechnet man diesen Effekt mit ein, ist die Viehwirtschaft für 9 Prozent der menschengemachten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Viel entscheidender ist jedoch das Methangas, das Wiederkäuer bei der Verdauung freisetzen und das 23-mal so klimaschädlich ist wie CO2. Die Stickoxide, die aus der Gülle entstehen, haben sogar eine 296-mal so starke Wirkung. Dazu kommt noch Ammoniak, das für den sauren Regen mit verantwortlich ist.
Die FAO macht auch einige Vorschläge zur Problembekämpfung, insbesondere höhere Preise für die Nutzung von Wasser und Land sowie den Abbau von Subventionen, aber auch Zugangsbeschränkungen zu ökologisch empfindlichen Gebieten, verbesserte Beweidungs- und Fütterungsmethoden, effizientere Bewässerungssysteme und die Einrichtung von Biogasanlagen. Die Autoren zitieren sogar aus einer US-Studie, der zufolge eine stärker vegetarisch orientierte Ernährung bei gleicher Versorgung mit Proteinen im Mississippi-Becken zu einer Halbierung des Land- und Düngemittelbedarfs führen könnte. Doch zur Empfehlung einer so einfachen Maßnahme wie des Vegetarismus können sich die Experten dann doch nicht durchringen. NICOLA LIEBERT