: El Niño heizt ein
2007 wird das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung, sagen britische Experten. Auch Europa wird das spüren
VON BERNWARD JANZING
Das Jahr 2007 wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent im globalen Mittel das wärmste seit Beginn aller Wetteraufzeichnungen werden und damit den bisherigen Spitzenwert von 1998 überschreiten. Diese Prognose veröffentlichte gestern das Met Office, der nationale Wetterdienst Großbritanniens. Die Wissenschaftler benennen zwei Ursachen: Neben dem allgemeinen Trend der Klimaerwärmung durch Luftschadstoffe gebe es aktuell Hinweise darauf, dass das Phänomen „El Niño“ in diesem Jahr wieder verstärkt auftritt. Bisher hält das Jahr 1998 mit einer weltweiten Durchschnittstemperatur von 14,52 Grad den Rekord.
Bei El Niño handelt es sich um eine Anomalie von Luft- und Meeresströmungen, die sich in Abständen von zwei bis sieben Jahren im Pazifikraum zwischen der Westküste Südamerikas und Südostasien entwickelt. Dabei schwächt sich der Humboldtstrom, eine kalte Meeresströmung an der Westküste Südamerikas, ab. In der Folge erwärmt sich der Ostpazifik, was zu sintflutartigen Niederschlägen in Südamerika führt, während in Australien und Indonesien Dürren auftreten.
Deutsche Forscher halten die aktuelle Prognose des renommierten Met Office für durchaus zulässig, ohne diese jedoch durch eigene Vorhersagen zu stützen. „Die Briten haben sehr gute Rechenmodelle“, sagt Ernst Meier-Reimer, Physiker am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass sich die Frage, in welchem Ausmaß sich El Niño tatsächlich entwickelt, erst im März oder April präziser beantworten lasse. Ähnlich ist die Auskunft beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: „El Niño ist bereits vorhanden, aber noch ist unklar, wie stark er wird“, sagt Sprecherin Susanne Nawrath.
Dietmar Dommenget vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel erinnert daran, dass El Niño für die Witterung in Mitteleuropa kaum von Bedeutung ist. Hier seien die Temperaturen des Nordatlantiks viel entscheidender – womit aber auch für Deutschland die Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, dass ein überdurchschnittlich warmes Jahr bevorsteht: „Der Nordatlantik ist derzeit sehr warm“, sagt Dommenget.
Dass die Wassertemperaturen der Weltmeere steigen, zeigt sich inzwischen allenthalben. Nach einer aktuellen Veröffentlichung von Forschern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven im Wissenschaftsjournal Science ist die Wassertemperatur in der Deutschen Bucht in den letzten 40 Jahren um 1,13 Grad gestiegen. In den nächsten 100 Jahren sei mit einem weiteren Anstieg um bis zu 3 Grad in der nördlichen und bis zu beinahe 4 Grad in der südlichen Nordsee zu rechnen. Ein solcher Temperaturanstieg raube den Fischen der Nord- und Ostsee den Sauerstoff zum Atmen und bedrohe sie dadurch in ihrem Bestand.
Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) veröffentlichte dieser Tage ein neues Indiz für die fortschreitende Aufheizung der Atmosphäre: Das Jahr 2006 zählte in Deutschland zu den wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen. „Viele der wärmeren Jahre wurden Ende des vergangenen und zu Beginn des neuen Jahrtausends verzeichnet“, sagt Gerhard Lux vom DWD: „2006 passt insofern gut in das Bild einer allmählichen Erwärmung der Erdatmosphäre.“ Deutschlandweit lag die Temperatur im vergangenen Jahr 2006 bei 9,5 Grad und damit um 1,3 Grad über dem langjährigen Durchschnitt.