: Fußtritte verboten
Mit Satellitenüberwachung und einer besseren Ausbildung von Fahrern will die EU Tiere schützen
VON MALTE KREUTZFELDT
Ab sofort gelten auf Europas Straßen neue Regeln für Tiertransporte. Die „EU-Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport“, die Ende 2004 nach langem Streit verabschiedet worden war, ist gestern in Kraft getreten. Sie sieht vor, dass neue Lastwagen, in denen Tiere mehr als acht Stunden lang transportiert werden, mit speziellen Navigationsgeräten ausgerüstet werden, sodass Strecken und Fahrtzeiten per Satellit überwacht werden können. Ältere Transporter müssen bis 2009 nachgerüstet werden. Daneben sieht die Richtlinie europaweit eine bessere Qualifikation und Überwachung der Fahrer und Pfleger vor.
Für die Tiere selbst wird sich hingegen wenig ändern. Zwar wird der Einsatz von Fußtritten und Schlagstöcken sowie der Tranport von krankem Vieh und Tieren unmittelbar vor und nach der Geburt verboten und die Wasserversorgung verbessert. Doch Transportzeiten von bis zu 29 Stunden bleiben ebenso erlaubt wie das Zusammenpferchen auf engstem Raum und Temperaturen von bis zu 35 Grad. Für strengere Vorschriften in diesem Bereich, die auch das Europaparlament und zwei wissenschaftliche Ausschüsse der EU-Kommission gefordert hatten, hatte sich bei den EU-Mitgliedstaaten seinerzeit keine Mehrheit gefunden. Erst im Jahr 2009 will der zuständige EU-Kommissar Markos Kyprianou neue Vorschläge zu Transportzeiten und Ladedichte unterbreiten.
Tierschützer sind dementsprechend enttäuscht über die Richtlinie. „Auch mit der neuen Verordnung bedeuten die Transporte Höllenqualen für die Tiere“, sagte Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
In der Praxis wird die Verordnung in Deutschland zunächst nur wenig konkrete Auswirkungen haben. Eine Schulung für die Fahrer von Tiertransporten ist hierzulande ohnehin schon vorgeschrieben. Verstärkte Kontrollen durch die Behörden sind nicht zu erwarten, denn dafür müssten die klammen Kommunen neue Mitarbeiter einstellen. Und die satellitengestützte Überwachung, in der der Deutsche Tierschutzbund immerhin eine „Chance für bessere Kontrollen“ sieht, existiert zunächst nur auf dem Papier. Denn bei Umsetzung dieser Vorschrift durch die Landesministerien und Veterinärämter hakt es gewaltig. „Wir sind noch dabei, einen Erlass vorzubereiten“, sagte Gerd Hahne, Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, der taz. Bei der vorgesehenen Überwachung per Satellitentechnik warte das Land noch auf Hinweise, wie diese umgesetzt werden soll. Hahne: „Das ist alles noch sehr unausgegoren.“
Das Landwirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern hat zwar die Veterinärämter über die neuen Regeln informiert, doch beim Satellitensystem wird auch hier abgewartet. Ähnlich ist die Situation in Bayern, wo das Umweltministerium nach Angaben von Sprecherin Nina Lacher darauf wartet, ob sich Tschechien mit seiner Forderung durchsetzt, die Einführung auf 2009 zu verschieben.
Beim Bundesverband Deutsche Tiertransporte ist die Unzufriedenheit über die neuen Regeln groß. „Die Verordnung ist seit gestern bindend“, sagte Präsident Heiner Haut. Darum müssten neue Transporter auch ab sofort mit GPS-Empfängern ausgestattet sein. „Doch weil bisher nichts genau definiert ist, bauen die Firmen erst mal irgendwas ein. Das ist ein bürokratischer Wust“, kritisierte Haut. Der Verband hält neue Vorgaben ohnehin nicht für notwendig. „Viel entscheidender ist die Qualifikation unserer Fahrer.“
Die Tierschützer sehen das naturgemäß völlig anders. So fordert der Bund gegen den Missbrauch der Tiere eine Begrenzung der Transportzeit auf vier Stunden bei nationalen und acht Stunden bei grenzüberschreitenden Fahrten sowie ein Verbot elektrischer Treibhilfen. Generell sollte es eine Verpflichtung geben, Tiere nur bis zum nächstgelegenen geeigneten Schlachthof zu transportieren.
Solche Verpflichtungen gibt es schon heute – allerdings nicht für normales Fleisch. Das Neuland-Siegel steht für artgerechte Tierhaltung und garantiert unter anderem, dass Tiere nicht länger als vier Stunden und nicht weiter als 200 Kilometer transportiert werden. Die Siegel anerkannter Ökoverbände wie Bioland stehen – neben umweltfreundlicher Fütterung – ebenfalls für solche strengen Standards bei Haltung und Transport von Tieren. Das EU-Biosiegel ist in Sachen Tierschutz hingegen deutlich weniger verbindlich.