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Archiv-Artikel

30 Flüchtlinge an Bord vermutlich erstickt

ITALIEN Erneute Tragödie auf einem der morschen Schlepperboote im Mittelmeer. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 50.000 Flüchtlinge an. Renzi fordert EU-Hilfe und eine Beteiligung an den Kosten

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Mehr als 5.000 Menschen wurden am Wochenende in der Straße von Sizilien gerettet, zugleich gibt es aber auch 30 Tote auf einem der Flüchtlingsschiffe. Die Fregatte „Grecale“, die den Hafen Pozzallo ansteuert, hat im Schlepp einen der morschen, von den Schleusern genutzten Kähne, der für 30 Menschen zur Todesfalle wurde. Die Opfer befanden sich in einem engen Raum unter Deck; wahrscheinlich sind sie erstickt.

Genauso wie die Überlebenden werden auch die Toten zum Problem für die italienischen Behörden: Der Bürgermeister von Pozzallo erklärte, seine Gemeinde verfüge nur über zwei Kühlzellen, und er wisse nicht, wohin mit den Leichen. Mittlerweile überschreitet die Zahl der im Jahr 2014 in Italien eingetroffenen Flüchtlinge deutlich die Marke von 50.000; etwa 10.000 von ihnen sind Minderjährige ohne Begleitpersonen.

Vor diesem Hintergrund versuchte Italien, das am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, auf dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs Ende letzter Woche erneut, eine Wende in der europäischen Flüchtlingspolitik anzustoßen. Italiens Regierung unter Matteo Renzi stellt zwei Forderungen. Erstens wünscht sie eine Beteiligung der EU an den Kosten für den Mare-Nostrum-Einsatz, die sich auf über 100 Millionen Euro jährlich belaufen. Zweitens aber will sie weitergehend auch die bisherigen Regelungen des Dublin II-Abkommens revidiert sehen, wonach Flüchtlinge und Asylbewerber grundsätzlich im europäischen Ankunftsstaat zu bleiben haben.

Während ihm auf dem Feld der Finanzpolitik größere Flexibilität zugestanden wurde, hieß es in der Gipfelerklärung zum Thema Flüchtlinge, Europa brauche eine „wirksame und gut gesteuerte Migrations-, Asyl- und Grenzpolitik“. Konkretes allerdings fiel für Italien nicht ab, außer der Erklärung des Kandidaten Jean-Claude Juncker: „Wir brauchen eine größere finanzielle Solidarität von denen, die die Mittel dafür haben.“

Mit solchen „Zugeständnissen“ allerdings wird sich Italiens kaum zufrieden geben. Am 2. Juli hält Ministerpräsident Renzi vor dem Europäischen Parlament seine programmatische Rede zur italienischen Ratspräsidentschaft. Neben der Stabilitäts- dürfte die Flüchtlingspolitik eine prominente Rolle spielen.