: „Hier ist das Klettern auf Bäume verboten“
Seit vergangenem Donnerstag besetzen Karsten Hilsen und Cecile Lecomte eine alte Eiche in Lüneburg, um gegen den Neubau einer Brücke zu protestierten. Unterstützung aus der Bevölkerung bekommen sie reichlich
taz: Praktisch gefragt: Sieht man Sie im Baum ausreichend, Herr Hilsen?
Karsten Hilsen: Uns hier oben – na ja. Aber wir haben große Transparente aufgehängt und von unten sieht man unsere Hängematten und die Planen, die wir aufgehängt haben.
Sie liegen in den Hängematten?
Ja, wenn wir nicht in den Bäumen rum turnen. Wir haben unser Hauptquartier auf einem Nachbarbaum der 150 Jahre alten Eiche aufgeschlagen, die für ein unsinniges Projekt, nämlich die neue Reichenbach-Brücke, gefällt werden soll.
Wie lange sind die Schichten auf den Bäumen?
Wir machen keine Schichten. Seitdem wir am Donnerstag hochgegangen sind, bin ich nonstop hier oben. Cecile Lecomte, meine Mitstreiterin, war zwei Stunden unten, weil sie sich als Lehrerin auf den ersten Schultag vorbereiten musste. Sie muss gucken, wie sich die Besetzung mit der Arbeit verbinden lässt.
Lüneburg argumentiert, dass auch bei der bloßen Sanierung der Brücke die Eiche hätte gefällt werden müssen – und dass die Folgekosten höher wären als die eines Neubaus.
Das ist natürlich Unfug. Es wird nicht eine gleichwertige, sondern eine deutlich breitere Brücke mit drei Autospuren mit getrennten Rad- und Fußgängerwegen in jeder Richtung gebaut. Das ist verkehrspolitisch völlig unsinnig. So werden sieben Millionen Steuergelder verschleudert.
Der Stadt zufolge wird das Verkehrsaufkommen höher und erfordert einen Ausbau.
Moment. Man kann das vom Bau aus sehr gut sehen: Es geht um ein Straßenstück von 200 Metern Länge in die Innenstadt, die erklärtermaßen autoarm sein soll und geradeaus geht es weiter in eine zweispurige Straße.
Was schlagen Sie alternativ zum Neubau vor?
Es ist keine neue Erkenntnis, dass Radwege nicht der Sicherheit der Radler dienen. Man könnte sie einfach weglassen. Oder man baut den Fußgänger- und den Radstreifen jeweils nur in eine Richtung – dann müsste man die Brücke auch nicht erweitern. Und man kann zur Verkehrsvermeidung Sammelbusse und taxis einrichten.
Glauben Sie tatsächlich, dass die Stadt die bereits begonnenen Bauarbeiten stoppt?
Die Illusion haben wir nicht. Wir wollen vor allem ein deutliches Zeichen des Protestes gegen die autoritäre Stadtpolitik setzen. Ich erinnere an den peinlichen Versuch, ein Verbot für das Parken von Fahrrädern einzuführen. Hier ist übrigens auch das Klettern auf Bäume verboten.
Wie reagieren die Lüneburger auf die Besetzung?
Absolut positiv. Wir können gar nicht so viel essen, wie uns angeboten wird. Gerade habe ich eine Tomatensuppe bekommen. Selbst die Bauarbeiter sind uns nicht unfreundlich gesonnen.
Das Ordnungsamt will Sie gewähren lassen. Wie lange wollen Sie bleiben?
Das wissen wir noch nicht. Aber wir freuen uns über die große Unterstützung. INTERVIEW: GRÄ