: Terroralarm erst mal beendet
SICHERHEIT Polizei fährt Präsenz auf Bahnhöfen und Flughäfen wieder zurück, sagt der Innenminister. Sicherheitskreise: Keine konkreten Hinweise auf Anschläge mehr
INNENMINISTER THOMAS DE MAIZIÈRE
VON WOLF SCHMIDT
Es waren Horrorszenarien, die im November die Runde machten. Von einem Massaker nach Vorbild des Terroranschlags im indischen Mumbai war da die Rede. Und von angeblichen Plänen, das Reichstagsgebäude zu stürmen – inklusive finalem Blutbad. Polizisten mit Maschinenpistolen patrouillierten auf Bahnhöfen, Flughäfen und an Orten wie dem Brandenburger Tor.
Zweieinhalb Monate später heißt es in Sicherheitskreisen, es gebe keine konkreten Hinweise mehr auf einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag in Deutschland. Die verschiedenen Stränge seien so weit aufgelöst, dass „nach menschlichem Ermessen nichts dran ist“.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) war bei einer Pressekonferenz am Dienstag vorsichtiger. Dort gab er bekannt, dass die öffentliche Präsenz der Polizei nun wieder heruntergefahren werde. Eine vollständige Entwarnung könne er aber „in absehbarer Zeit nicht in Aussicht stellen“. Denn: Es gebe weitere, auch neue Hinweise, die man verdeckt verfolgen werde.
Drei Szenarien waren die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Wochen nachgegangen. Erstens: ein angeblich geplanter Anschlag, der das Finanzsystem Europas treffen soll. Die mutmaßliche Nummer drei von al-Qaida soll dafür im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet Islamisten aus Deutschland angesprochen haben. Zum Zweiten war die Rede von angeblichen „Schläferzellen“ in Deutschland. Drittens ging es um Hinweise auf einen geplanten Anschlag nach dem Vorbild des Mumbai-Massakers von 2008. Die USA hatten den Deutschen von Hinweisen auf Pläne einer Gruppe mit indischem Hintergrund berichtet, sogar von einem Zeitpunkt war die Rede: Ende November. Ein Termin, den auch de Maizière nannte, als er vor zweieinhalb Monaten öffentlich warnte. Doch der Hinweis erwies sich als widersprüchlich. Nachdem sich das Bundeskriminalamt (BKA) mit den USA und Indien ausgetauschte, löste er sich vollends in Luft auf. Mögliche Gefährdungen in diesem Zusammenhang seien „zwischenzeitlich ausermittelt“, sagte de Maizière.
Bleibt ein Hinweisgeber, der sich Mitte November beim BKA meldete und von mehreren Plänen für Anschläge in Deutschland berichtete, die in Pakistan ausgeheckt würden – darunter ein Attentat eines Kommandos, das den Bundestag stürmen solle. Bei dem Mann soll es sich um einen ausstiegswilligen Dschihadisten handeln. Die Behörden seien weiter mit ihm in Kontakt geblieben, hieß es, Ende Dezember sei dieser aber abgerissen. In Zusammenhang mit dem Hinweisgeber wurden vergangene Woche Wohnungen von Familienangehörigen und Bekannten im Raum Wuppertal durchsucht. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass der Mann tatsächlich Zugang zu Leuten habe, die Anschläge planen könnten. Seine Aussagen hätten sich aber nicht weiter konkretisieren lassen und seien zum Teil widersprüchlich gewesen, hieß es. Alles in allem kommen die Sicherheitsbehörden zum Ergebnis, dass die Terrorwarnung wieder um eine Stufe zurückgeschraubt werden kann.
Innenminister de Maizière musste sich am Dienstag die Frage gefallen lassen, ob er nicht überreagiert habe, als er im November schwerbewaffnete Polizisten an die Bahnhöfe schickte. Es habe eine Häufung von ernstzunehmenden Hinweisen gegeben, sagte er. Dazu kamen die Paketbomben aus dem Jemen, von denen eine in Köln/Bonn umgeladen wurde. Er halte seine Entscheidung „auch im Nachhinein für richtig“, sagte de Maizière. Er könne nicht sagen, ob die Maßnahmen einen Anschlag verhindert hätten. „Eine gute Wirkung hatten sie allemal.“