BESCHIMPFUNG HOCH DREI
: Idiotenpennernazi

Ich bin doch die, die Platz macht, wenn die S-Bahn einfährt

„Pass doch auf, du Penner!“ So fängt mein Tag an. Also, nicht ganz, vorher steh ich auf und gehe los, runter zur S-Bahn. Aber kaum bin ich da, schimpft mich wer an. Dabei tu ich nichts außer rumstehen, aber offensichtlich jemandem im Weg. Dabei versuche ich, gerade das nicht zu tun; ich bin eine von denen, die noch Platz machen, wenn eine S-Bahn einfährt und Leute aussteigen wollen. Offensichtlich ist das aber so was von out, dass keiner es mehr erwartet. Der, der mich beschimpft, erwartet es auch nicht und drängt von der Tür scharf nach links, als wäre direkt vor ihm kein Platz. Ist aber – den habe ich ihm gerade gemacht. Indem ich nach links bin und ihm jetzt im Weg stehe. „Nur Penner hier!“, sagt er noch mal.

Ich seufze, steige ein. Als ich wieder aussteige, ist zum Glück keiner draußen direkt vor der Tür und ich muss nicht überlegen, was ich jetzt mache: scharf nach links oder doch erwarten, dass die Leute mir Platz machen? Schon kompliziert, so eine einfache Handlung wie den S-Bahn-Waggon verlassen. Ich laufe rüber zur U-Bahn. Vor mir laufen zwei Erwachsene mit Kindern. Die Kinder laufen nebeneinander, versperren den Weg. Ich dränge an ihnen vorbei, überhole sie. „Guck mal, ein Idiot“, tönt es mir nach. „Überholt rechts.“ Oje, denke ich, wenn das so weitergeht heute …

Es geht so weiter. Als ich da ankomme, wo ich hinwill, sehe ich einen, der mir vage bekannt vorkommt. Ich lächle ihm zu. Er kriegt es nicht mit, dafür sein Kumpel. „Was grinst’n so, Nazi-Birne?“, fragt er. Ich schau mich um, wen er da fragt, aber er fragt wohl mich, denn ich bin die Einzige mit Glatze hier und die Einzige, die lächelt. Ich schüttele den Kopf, Nazi-Birne, na klar, ist ja wie aufm Dorf. Da hat meine Tante auch gedacht, ich wär ’n Nazi, nur weil ich keine Haare und so. Krass, denke ich und wünsche mir Kopfhörer, mit ganz lauter Musik, von mir aus auch Schlager. JOEY JUSCHKA