KURZKRITIK: „WAHRE WORTE WEISER WIRTE“ : Fast alles schafft der Wirt
„In dem Moment, wo du hinter’m Tresen stehst, bist du halt der biologisch Überlegenste im ganzen Laden“, sagt Jurij Klaus. Und so wie der Betreiber der „Egal Bar“ im Karolinenviertel dachte wohl auch Ulli Müller, tagsüber Geschäftsführer einer Werbeagentur. Er möchte „seinen Wirten“ ein Denkmal setzen, zog mit dem Fotografen Benne Ochs durch diverse Kneipen, und machte aus insgesamt 21 Interviews und den Kneipenfotos ein Buch. Flankierend präsentiert eine Website unter anderem filmische Mitschnitte der Gespräche.
Im Buch erwarten einen zotige bis traurige Geschichten aus dem Arbeitsalltag der Wirte: Der eine stört die letzten Gäste beim Sex auf der Toilette, dem anderen sterben die Gäste weg. Man erkennt wahre Geschäftsleute, aber auch solche, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Des einen liebste Beschäftigung hinterm Tresen ist „Saufen“, der andere verschreibt sich ganz den Gästen, hilft beim Schriftverkehr mit Behörden oder besorgt auch mal eine Kiste Wasser.
Im Internet gewinnen die Gespräche noch an Farbe durch Stimme, Mimik und Gestik. Eine 45-minütige Doku – Titel: „Helden der Nacht“– gibt es auf DVD im Online-Shop gleich nebenan.
Das Gesamtpaket aus Buch und Website ist so, wie die Fotos von Benne Ochs: Es gibt interessante Köpfe, aber auch Beiträge, die einen ratlos zurücklassen. Durchgängig gegeben ist der Unterhaltungswert, mitunter auch aus einer gewissen Peinlichkeit heraus. Und noch etwas kommt beim Lesen: Lust auf’s Ausgehen. ELENA OCHOA
Ulli Müller, „Wahre Worte Weiser Wirte“, Junius 2010, 144 S., 16,90 Euro. www.wahre-worte-weiser-wirte.de