: Mit Mastercard auf Kinderporno-Suche
Um einen Kinderpornoring auszuheben, ließ die Staatsanwaltschaft die Daten von 20 Millionen Kreditkarten überprüfen. 322 Verdächtige sollen sich Kindersexbilder angesehen haben. Den Datenschutz sehen die Ermittler nicht in Gefahr
VON CHRISTIAN RATH
Mit einer bisher beispiellos umfangreichen Kreditkartenfahndung hat die Staatsanwaltschaft Halle in ganz Deutschland rund 322 mutmaßliche Nutzer einer zahlungspflichtigen Kinderporno-Homepage ermittelt. Gestern stellten die Justizministerin von Sachsen-Anhalt Angela Kolb und Innenminister Holger Hövelmann die Ergebnisse der Fahndung vor.
Wer 79,99 Dollar überwies, konnte 20 Tage lang 4 Gigabyte Kinderpornografie ansehen und herunterladen. Das waren tausende Bilder missbrauchter Kinder und einige hundert Video-Sequenzen. Die Redakteure der Sat.1-Sendung „Akte 06“ waren von TV-Zuschauern auf das Angebot hingewiesen worden. Als die Journalisten mit ihren Recherchen nach den Hintermännern nicht weiterkamen, informierten sie die Zentralstelle gegen Kinderpornografie in Halle und ihren Chef Oberstaatsanwalt Peter Vogt.
Doch auch er biss sich an den Hintermännern die Zähne aus, weil sie die Seite alle drei Tage von einen anderen Server aus anbieten. „Die zahlenden Nutzer werden über die Wechsel per E-Mail informiert“ berichtete gestern „Akte-06“-Reporter Ronald Matthä. Auch der Versuch, die Geldflüsse weiterzuverfolgen, versandete irgendwo auf den Philippinen.
Da kam Vogt auf die Idee, bei den Nutzern anzusetzen, und startete die Operation „Mikado“. Mit Hilfe der Kreditkartenwirtschaft ließ er fast 20 Millionen Zahlungskarten darauf überprüfen, ob im fraglichen Zeitraum 79,99 Dollar auf die Kontonummer überwiesen wurden, die auf der Pädophilen-Seite angegeben war. Da als Zahlungsmittel nur Mastercards und Visa-Karten zugelassen waren, musste Vogt auch nur bei diesen Firmen nachfragen. Diese waren vermutlich nicht nur aus Imagegründen zur Mitarbeit bereit, sondern weil die Staatsanwaltschaft die entsprechenden Unterlagen auch hätte beschlagnahmen können.
Ergebnis: In den untersuchten 20 Tagen hatten sich 322 Deutsche Zugang zu der Kinderporno-Seite verschafft und damit strafbar gemacht. Bei diesen wurden ab September in Zusammenarbeit mit allen Landeskriminalämtern Hausdurchsuchungen durchgeführt und viele Computer und Datenträger beschlagnahmt. In den meisten Fällen werden nun Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Probleme mit dem Datenschutz sieht Vogt nicht. „Die Polizei hatte nicht Zugriff auf die Daten von zwanzig Millionen Kreditkarten. Sie hat nur die Daten der 322 Verdächtigen von den Kreditkartenfirmen erhalten. Diese haben den Abgleich der Daten selbst durchgeführt.“ Welche Schuhe die Leute kaufen, habe kein Polizist gesehen, so Chefermittler Vogt gegenüber der taz. Er sagte weiter: „Hier geht es auch um Abschreckung. Die Nutzer solcher Angebote sollen sehen, dass wir sie wie eine Krake packen können.“ Sie hinterließen nicht nur Datenspuren im Internet, sondern auch im Zahlungsverkehr.
„Im Internet ist jeder Staatsanwalt zuständig“, begründet Vogt sein Eingreifen. Am Ende kamen nur zwei Verdächtige aus Sachsen-Anhalt. Die meisten Verdächtigen stammen aus Nordrhein-Westfalen. „Viele sind gutsituierte Singles“, so Vogt, „etwa zehn Prozent sind sogar einschlägig vorbestraft“. „Wenn wir den Markt trockenlegen, verlieren auch die Hintermänner das Interesse“, hofft Vogt.
Vogt hatte 2003 auch die „Operation Marcy“ geleitet. Damals hatte ein Magdeburger kinderpornografische Bilder im Internet angeboten und die Daten seiner Kunden gespeichert. Die Auswertung des beschlagnahmten Computers führte zu 26.000 Verdächtigen in 166 Ländern.