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Archiv-Artikel

„Es wird nicht anders gehen“

VORTRAG Die Idee der Vereinigten Staaten von Europa wird mal ganz pragmatisch angedacht

Joachim Fritz-Vannahme

■ 55, war stellvertretender Chefredakteur der Zeit und ist seit 2007 Leiter der Europa-Projekte der Bertelsmann Stiftung.

taz: Haben Sie eine Idee, wie Europa aus der Krise kommt, Herr Fritz-Vannahme?

Joachim Fritz-Vannahme: Die Idee ist nicht ganz neu: Es sind die Vereinigten Staaten von Europa. Dazu muss man auch eine vollständige Demokratie für Europa ins Leben rufen. Im Augenblick haben wir ja nur eine sehr unvollständige: Die EU hat momentan vor allem ein politisches Legitimationsdefizit.

Im Moment ist die EU von dieser Idee weiter weg denn je.

Der Begriff ist in der jetzigen deutschen Debatte provozierend. Für mich ist das aber kein idealistischer, sondern ein pragmatischer Begriff. In der Vergangenheit war die Idee der Vereinigten Staaten von Europa noch vielfach Vision gewesen, die von weit her geholt werden musste. Es wird aber heute gar nicht anders gehen als so. Die gegenwärtigen Krisen um den Euro herum haben Maßnahmen nötig gemacht, die vor Kurzem noch absolut undenkbar waren. Die Regierungschefs haben gemerkt, dass sie sich gegenüber den Finanzmärkten unglaubwürdig machen, wenn sie nicht diese Konsequenz an den Tag legen. Es gibt einfach Kräfte in dieser Welt, die so viel stärker sind als der Nationalstaat.

In der Außen-, Wirtschafts- oder Sozialpolitik sind die nationalen Eitelkeiten aber sehr groß.

In einer Gemeinschaft aus 27 Staaten war nicht damit zu rechnen, dass die Unterschiede geringer werden. Es gibt im Moment auch keine Regierung, die sich die „Vereinigten Staaten von Europa“ auf die Fahne schreiben würde – weil es immer mehr Bürger gibt, die gegenüber der europäischen Integration skeptisch gestimmt sind.

Ist die EU zu groß, um zu Vereinigten Staaten zu werden?

Ich verweise da gerne auf die USA. Dort sind die regionalen Unterschiede zwischen arm und reich gewaltig. Die fallen aber in der föderalen Struktur nicht so ins Gewicht. Zugleich haben die Bundesstaaten dort sehr große Autonomie. Int.: Jan Zier

16 Uhr, EuropaPunktBremen, Haus der Bürgerschaft (Seiteneingang)