: Maulkorb per Scheck
Strafgefangener soll von der Justizbehörde 5.000 Euro Schmiergeld erhalten haben, damit er die Karriere des ehemaligen Knastchefs von Santa Fu nicht behindert. Prompt zog er seine Klage zurück
Von Magda Schneider
Es ist für eine Strafvollzugsbehörde kein besonderes Prädikat, wenn Inhaftierte gegen Vollstreckungsmaßnahmen erfolgreich juristisch zu Felde ziehen. Dem früheren Insassenvertreter im Haus II von Santa Fu, Gunter Schmiedel, hat die Justizbehörde nun sogar 5.000 Euro gezahlt – angeblich, damit er eine Klage wegen Freiheitsberaubung gegen den früheren Knastchef Andreas Behm zurückzieht. „Durch dubiose Praktiken soll hier die juristische Aufarbeitung der vielfach rechtswidrigen Entscheidungen des damaligen Justizsenators Kusch verhindert werden“, schimpft GAL-Rechtsexperte Till Steffen. Er hat eine parlamentarische Anfrage eingereicht, um den Fall zu klären.
Im Dezember 2003 rumorte es unter den Strafgefangen in Hamburg: Viele liberale Maßnahmen des rot-grünen Senats wurden vom neuen CDU-Justizsenator Roger Kusch aufgehoben. Weniger Freigang, weniger Auf- und Umschlusszeiten, limitierte telefonische Außenkontakte zu Angehörigen, lautet die Marschroute aus der Behörde.
Auf Unruhen unter den Gefangenen reagierte Santa-Fu-Chef Andreas Behm mit Sanktionen. Die Gefangenen in allen Trakten werden 23 Stunden lang eingeschlossen. Auch jene, die sich in abgetrennten Stationen befinden und sich nicht an den Unruhen beteiligen konnten.
Gunter Schmiedel beantragte daraufhin einstweiligen Rechtsschutz, der ihm auch in zwei Instanzen gewährt wurde. Behm weigerte sich jedoch, die richterlichen Beschlüsse umzusetzen. Schmiedel erstattete daraufhin Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung, das Verfahren wurde aber von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Da auch die Generalstaatsanwaltschaft seine Beschwerde zurückwies, leitete Schmiedel beim Oberlandesgericht ein so genanntes Klageerzwingungsverfahren ein. Auch ein Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde ihm gewährt, weil „ein hinreichender Tatverdacht“ bestehe.
Eigentlich hätte spätestens jetzt die Anklagebehörde tätig werden müssen. Das hätte aber bedeutet, dass Behm wegen des anhängigen Strafverfahrens seinen neuen Posten als Generalstaatsanwalt in Berlin hätte abschreiben müssen. Es passierte nichts – bis Schmiedel im Dezember 2006 überraschend seinen Antrag zurückzieht und einen Vergleich mit der Justizbehörde schließt. Die überweist ihm 5.000 Euro.
Dass Schmiedel für die Justizbehörde ein herber Brocken ist, zeigt seine Biografie. 2003 musste er sich nach einer Anzeige der Gefängnisleitung wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz vor dem Amtsgericht verantworten. Ihm war vorgeworfen worden, als Insassenvertreter und Gründer des Gefangenenvereins BIGS (Bürgerinitiative zur Gleichstellung im Strafvollzug) Inhaftierte juristisch beraten und eine Verfahrens- und Widerspruchsflut ausgelöst zu haben. „Wir haben Dutzende von Strafverfahren, die aus der Feder von Herrn Schmiedel stammen“, behauptete damals Gefängnisjuristin und Santa-Fu-Vizeleiterin Sabine Klose vor Gericht. „Beweise gibt es dafür nicht“, sagte sie, „aber ich kenne seinen Wortschatz und seinen Duktus.“
Das 1935 von den Nazis erlassenen antiquierte Gesetz gestattet nur eingetragenen Anwälten eine Rechtsberatung, da man damals versierte jüdischen Rechtskundige ausschalten wollte. Das Verfahren gegen Schmiedel wurde eingestellt.
Die Justizbehörde bestreitet nun, dass die Rücknahme des Erzwingungsverfahren mit den Geldzahlungen in Verbindung steht. „Durch den Vergleich sind mehrere zivilrechtliche Verfahren kostengünstig erledigt worden“, sagt ein Sprecher. Dass Schmiedel daraufhin seine Klage zurückzog, habe selbst die Behörde überrascht. „Das ist total unglaubwürdig“, kontert GALier Till Steffen: „Warum sollte der Gefangene seinen Antrag kurz vor dem Erfolg zurücknehmen?“
Die Frage sei, ob der neue Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) diese Verhinderung von Strafverfolgung gedeckt hat oder ob die Behörde solche Aktivitäten ohne seine Kontrolle entfalte, so Steffen. „Beides“, findet er, „wäre gleich schlimm.“