: Dichte Momentaufnahmen
Bilder, die mehr zeigen, als auf ihnen zu sehen ist: Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zeigt Fotos von Thomas Hoepker, dem ersten Deutschen, der bei der Fotoagentur Magnum aufgenommen wurde
Fotos können treffen, indem sie ohne Skrupel draufhalten. Das sind dann Fotos, die das Blut zeigen oder die entstellten Gesichter von Kriegstoten. Es sind Fotos, die schockieren, und das muss nicht verwerflich sein. Es fragt sich nur, ob die Spirale der Abstumpfung nicht gegen sie arbeitet – je mehr grelle Fotos es gibt, desto mehr muss geschehen, damit die nächsten noch wahrgenommen werden.
Die Fotos von Thomas Hoepker funktionieren anders. Sie zeigen Momente, die wie herausgeschnitten wirken aus einem größeren Zusammenhang, der nicht gezeigt wird, aber doch mitgedacht werden muss. Seltsamerweise ist dieser Kontext auch dann noch verfügbar, wenn seit dem Aufnahmedatum Jahrzehnte vergangen sind. Das mag daran liegen, dass der Fotograf einen Sinn für die dichten Momente hat, in denen sich Zeitgeschehen konzentriert. Sein berühmtes Bild vom 11. September zeigt junge Leute, die auf der anderen Seite des East River sitzen und plaudern, während drüben in Manhattan die Türme des World Trade Center rauchen – von ihnen unbemerkt oder auch unbeachtet, genau ist das nicht zu entscheiden.
Das Bild entstand zufällig, Hoepker war gerade unterwegs zur Mitgliederversammlung der Fotoagentur „Magnum“, bei der er Jahre zuvor als erster Deutscher aufgenommen worden war. Die Zugänge nach Manhattan waren schon versperrt, also fotografierte er das Geschehen von der anderen Seite des Flusses und schuf damit ein Bild, das mehr sagt als die vielen anderen, die so nah wie möglich ans Unglück heranzugehen versuchten.
Wie seine Magnum-Kollegen fühlt sich auch Hoepker einem unabhängigen, „humanistischen“ Fotojournalismus verpflichtet. Als Künstler verstand er sich nie, berühmt ist sein Diktum, er sei einfach nur ein „Bilderfabrikant“. 1964, da war Hoepker 28, engagierte ihn der Stern, für den er später einige Jahre nach Ostberlin ging – er war dort als erster westdeutscher Fotograf überhaupt akkreditiert. In den 70ern zog er nach New York, wo er sich an dem Versuch beteiligte, eine amerikanische Ausgabe von Geo herauszubringen. In den 80ern kehrte er für zwei Jahre nach Deutschland zurück und arbeitete als Art Director beim Stern. Seit 1989 lebt er wieder in New York.
Seit den 70er Jahren dreht Hoepker auch Dokumentarfilme, zuletzt verstärkt in Südamerika. Berühmt aber wurde er durch seine Fotos, manche haben es bis in die großen Museen geschafft. 230 davon sind derzeit in einer Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen. WIE
„Thomas Hoepker – Photographien 1955–2005“, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, bis 18. März 2007. Am morgigen Freitag, 12 Uhr, führt Hoepker selbst durch die Ausstellung