Die Sonne hat Akne, also wird es warm
: Dem Winter auf der Spur

„Ich weiß jetzt, warum es so verdammt warm ist“, bemerkt der Kollege und nippt an seinem Pfefferminztee. „Es sind die Sonnenflecken.“ Die Sonnenflecken, soso. Wann er sich das ausgedacht hat? „Gar nicht. Im Fernsehen hatten sie einen Meteorologen, der diese Theorie vertritt. Viele Flecken, warmer Winter.“

Na ja. Warum eigentlich nicht? Dunkel erinnern wir uns an ein Volkswirtschaftsseminar vor ziemlich langer Zeit. Damals lernten wir, dass frühe Nationalökonomen das Auf und Ab der Konjunktur mit dem Sonnenfleckenzyklus zu erklären suchten. Dagegen wirkt die These, Oberflächenverunreinigungen unseres Zentralgestirns könnten in kausalem Zusammenhang damit stehen, dass Mitte Januar ein Ende der Heizperiode in greifbarer Nähe rückt, gar nicht so wild.

Und in der Tat – man muss es noch mal erwähnen – spielt das Wetter verrückt. 15 Grad mitten im Winter – ist das ein letzter Ausläufer des warmen Herbstes oder ein erster Bote des Frühlings? Egal: Nichts stimmt mehr. Die Kraniche seien diesmal einfach in Brandenburg geblieben, erzählt eine Kollegin. Ein anderer trägt T-Shirt unterm Jackett. Und der Skiurlaub, den eine Bekannte in Österreich verbrachte, war eine Katastrophe: Sieben Tage regnete es auf nasse Wiesen.

Das mit den Sonnenflecken, das wollen wir dann aber doch noch genauer wissen. Wir rufen besagten Experten an: Horst Mahlberg, FU-Professor im Ruhestand. Und erfahren, dass es sich nicht um eine spinnerte Hypothese, ja noch nicht einmal um eine Theorie, sondern (sagt Herr Mahlberg) um eine von der Fachwelt seit mehreren Jahren anerkannte Korrelation handelt.

Herr Mahlberg hat mitteleuropäische Klimadaten der letzten 220 Jahre untersucht und Folgendes herausgefunden: Ende des 18. Jahrhunderts war es hierzulande genauso warm wie jetzt, dann aber setzte eine „dramatische Abkühlung“ ein – von insgesamt einem Grad im Jahresmittel, wohlgemerkt. Seit 1850 wird es wieder wärmer. Und siehe da: Sowohl während der damaligen Wärmespitze als auch heute wurden besonders viele der mysteriösen Flecken gesichtet (wir vereinfachen mal ein bisschen). Und mysteriös sind sie auch nicht. Sie verweisen auf eine erhöhte Aktivität des himmlischen Fusionsreaktors. Die, sagt Herr Mahlberg, resultiert ihrerseits in erhöhter Strahlungsenergie, welche, wieder vereinfacht gesprochen, das irdische Klima anheizt.

Auch heute mache der anthropogene Faktor, also der menschliche Einfluss, nur ein Drittel der Klimaveränderungen aus. Den Rest besorge die Sonne. Aber das Wetter da draußen? Alles eine Laune der Natur, sagt Herr Mahlberg, dem in seiner Forscherkarriere viele vermeintliche Temperaturrekorde begegnet sind. Alles eine Frage der Route, die die Tiefdruckgebiete über Europa nehmen. Conclusio: „Die derzeitige Wetterlage ist ungewöhnlich, aber nicht einmalig.“

„Totrecherchiert“ nennen Journalisten eine solche Geschichte. Es war ja nichts dran. Aber umsonst war der Aufwand nicht. Wir haben ein interessantes Gespräch geführt. Nichts Neues unter der Sonne, wie der Lateiner sagt, aber etwas dazulernen kann man immer. Selbst der Kollege mit dem Pfefferminztee.

CLAUDIUS PRÖSSER