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Archiv-Artikel

Die verlorene Ehre des Wolf Biermann

SPD und Linkspartei stemmen sich gegen die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Wolf Biermann. Rot-Rot verweist auf das umstrittene Ja des Liedermachers zum Irakkrieg. Die Opposition wirft der SPD Einknicken vor ihrem Koalitionspartner vor

VON MATTHIAS LOHRE

Wolf Biermann gerät auf seine alten Tage wieder zwischen die politischen Fronten. SPD und Linkspartei lehnen den CDU-Vorschlag ab, dem Dichter und Sänger die Ehrenbürgerwürde der Stadt zu verleihen. Die Fraktionsvorstände der Senatsparteien begründen das mit dem Ruf des einstigen DDR-Oppositionellen: Weil er umstritten sei, könne Biermann diese Ehrung nicht erhalten. Nun werfen Oppositionsparteien und Rot-Rot einander unlautere Motive vor.

Der Abgeordnetenhaus-Vizepräsident Uwe Lehmann-Brauns (CDU) hatte vorgeschlagen, den 70-Jährigen zu ehren: „Wolf Biermann hat die Auszeichnung verdient, er ist der Dichter und Liedermacher der Stadt, ein berühmter Sohn Berlins“, lobt Lehmann-Brauns. Grüne und FDP haben sich der Initiative angeschlossen. Ehrenbürger erhalten unter anderem ein vom Land bezahltes Begräbnis in einem „Ehrengrab“. Zur heutigen Liste der 114 Geehrten zählen Willy Brandt, Marlene Dietrich und der Kunstmäzen Heinz Berggruen.

Am Dienstagabend hat sich der SPD-Fraktionsvorstand dagegen ausgesprochen, Biermann als 115. auf die Liste zu setzen. Es gilt als sicher, dass die Fraktion dieser Linie kommende Woche folgt. Eine Ablehnung des Biermann-Antrags im Kulturausschuss am 22. Januar wäre sicher. „Biermann hat viele Verdienste“, gesteht SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller dem Sänger zu. „Aber für eine Ehrenbürgerwürde müssten diese Verdienste herausragend sein.“ Hinter dem CDU-Vorschlag vermutet Müller Doppelmoral: „Biermann schrieb Lieder für Rudi Dutschke. Wenn die Union ihr Biermann-Engagement ernst meint, kann sie nicht gleichzeitig Stimmen gegen die Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße sammeln.“

Taktik hatte bereits vor Weihnachten Exbundestagspräsident Wolfgang Thierse den eigenen Genossen vorgeworfen: „Die Sozialdemokraten dürfen in dieser Frage auf den Koalitionspartner Linkspartei.PDS keine Rücksicht nehmen“, sagte der Bundestagsvizepräsident. SPD-Chef Müller konterte: „Da üben wir keine Rücksicht. Auch bei uns ist die Vergabe der Ehrenbürgerwürde umstritten.“

Den versteckten Vorwurf, ihr Nein habe mit alter Abneigung von Ex-SED-Mitgliedern gegen DDR-Regimekritiker zu tun, weist die Linkspartei von sich. „Es gibt viele gute Gründe, Biermann zu würdigen“, urteilt die Linkspartei-Fraktionssprecherin Kathi Seefeld. „Seine Rolle in der DDR-Bürgerbewegung ist unbestritten. Aber jüngere Äußerungen, insbesondere sein Ja zum Irakkrieg, sind vor allem bei westdeutschen Linkspartei-Mitgliedern umstritten.“ Biermann befürwortete im Jahr 2003 in Medienberichten den Angriff der USA auf den Irak. Frankreichs Staatspräsidenten Jacques Chirac und Kanzler Gerhard Schröder warf er im Herbst 2006 öffentlich eine verfehlte „Appeasementpolitik“ gegenüber Saddam Husseins Irak vor.

Die SPD knicke vor dem kleineren Koalitionspartner ein, kritisieren die Grünen-Fraktionschefs Franziska Eichstädt-Bohlig und Volker Ratzmann. Die Sozialdemokraten ebneten der PDS „den Weg, ihre alte Klientel zu befriedigen“ und verlorengegangene Wähler im Osten zurückzuholen.