: Klarstellung der Gutachter
INKLUSION Die Ressourcen für Schüler mit Förderbedarf sind zu knapp, das bestätigt ein Gutachten. Schulsenator Ties Rabe zitierte bei dessen Vorstellung jedoch andere, ihm genehmere Passagen
Im Streit darum, ob Hamburgs Schulen ausreichend für die Inklusion ausgestattet sind, hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag verkündet, dass es keine zusätzlichen Mittel gibt. Stattdessen soll ein neues, einheitliches Testverfahren zu besseren Diagnosen führen. Rabe berief sich dabei auf ein Gutachten der Erziehungswissenschaftler Karl Dieter Schuck und Wulf Rauer von der Universität Hamburg.
Die beiden Experten sollten analysieren, warum es seit dem Schuljahr 2011/12 einen rasanten Anstieg der Schüler mit Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache und Emotionale Entwicklung (LSE) gab. Denn seit es das Recht für alle auf Besuch einer Regelschule gibt, ist an den Sonderschulen der Anteil der LSE-Kinder nur um 1.600 gesunken, während er an den allgemeinen Schulen auf über 5.600 stieg.
Schuck und Rauer lieferten ihre Analyse, darunter einige Erklärungen, die bereits bekannt sind. So fällt es Lehrern leichter, einen Förderbedarf zu attestieren, wenn damit nicht die Abschulung auf eine Sonderschule verbunden ist. Auch gebe es Fehler. Unterm Strich gäben die „um bekannte Fehler korrigierten LSE-Angaben“ in der Schulstatistik ein „plausibles Abbild der Problemlagen in Hamburgs staatlichen Grund- und Stadtteilschulen“ ab, so die beiden Forscher. Vergleiche mit anderen Städten wie Essen oder Berlin ließen „keine pauschalen Übertreibungen in Hamburg erkennen“.
Damit sind Schuck und Rauer gerade nicht die Kronzeugen für Rabes Politik, der den Lehrern der meldenden Schulen Übertreibungen unterstellt. In einer Tabelle weisen sie aus, dass in den 5. und 6. Klassen der Stadtteilschulen 11,97 Prozent der Schüler LSE-Förderbedarf haben. Das Ressourcenmodell der Stadt, das bislang erst in Klasse 5 und 6 greift, hält aber nur für acht Prozent der Stadtteilschüler eine LSE-Förderung vor. Es fehlt ein Drittel. Auf diese „Abweichungen“ weisen die beiden hin.
Obendrein halten sie nichts von der Art des neuen Diagnostikverfahrens. Dafür sollen Lehrer der Viertklässler elfseitige Bögen ausfüllen und an die regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBz) abgeben. Die dortigen Experten sollen dann „die endgültige Diagnose treffen“. Die Gutachter hatten ausdrücklich davor gewarnt. Noch offene diagnostische Fragen sollten „nicht zu einer Stärkung mit hohem personellen Aufwand durchgeführter klassischer, kategorialer Feststellungen über Kinder führen“. Diagnostik solle der Lernbegleitung dienen und „in der Verantwortung der jeweiligen Schule liegen“.
Darauf angesprochen, sagte Rauer zur taz, der Senator habe eben nur Auszüge, aber nichts Falsches zitiert. Man habe dafür gesorgt, dass das Gutachten im Internet steht. KAIJA KUTTER