Weltbankberichte sind ideologisch gefärbt

Wissenschaftler stellen Glaubwürdigkeit der Bank-Studien in Frage. Sie seien missionarisch und methodisch anfechtbar

BERLIN taz ■ Tolle Wachstumsaussichten sieht die Weltbank für das Jahr 2007, mit Wachstumsraten von über sechs Prozent in den Entwicklungsländern und durchschnittlichen 2,6 Prozent in den Industrieländern. Die Globalisierung könnte in den kommenden 25 Jahren weltweit für noch schnelleres Wirtschaftswachstum sorgen als im letzten Vierteljahrhundert, vor allem im Süden, heißt es in der Weltbank-Veröffentlichung „Global Economic Prospects 2007“.

Ob solcherlei Optimismus gerechtfertigt ist, daran hegen inzwischen nicht nur notorische Globalisierungskritiker Zweifel. Ein Team von Wissenschaftlern, darunter Princeton-Ökonom Angus Deaton und der Ex-Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Ken Rogoff, hat die Forschungsarbeiten der Weltbank unter die Lupe genommen. Das Urteil, das die Weltbank kürzlich im Internet freigab, fällt einigermaßen vernichtend aus.

So seien viel beachtete Studien über Globalisierung, Armutsbekämpfung und die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe dazu benutzt worden, „für die Politik der Bank zu missionieren, oft ohne ausgewogene Berücksichtigung der empirischen Fakten“, heißt es in dem Papier. Die Daten würden oft einer genaueren Analyse nicht Stand halten. Politische genehme Schlussfolgerungen – etwa dass Globalisierung die Armut bekämpfen helfe – würden voreilig gezogen. Die Studie eines Weltbank-Mitarbeiters dagegen, die den Nutzen der Globalisierung für die Armen in Frage stellten und im Gegenteil wachsende Einkommensunterschiede feststellte, sei unter den Teppich gekehrt worden. „Interne Forschungsergebnisse, die die Position der Bank bestätigten, wurden stark hervorgehoben, ungünstige Ergebnisse wurden ignoriert“, fassen die Wissenschaftler zusammen.

Peter Wahl von der entwicklungspolitischen Organisation Weed sieht seine schlimmsten Vermutungen bestätigt: Viele Statistiken und Studien der Weltbank seien schlampig, tendenziös und ideologisch. „Und solche Arbeiten dienen dann dazu, dem neoliberalen Globalisierungskurs eine scheinbare Legitimation zu geben.“

Nur 2,5 Prozent ihres Budgets gibt die Weltbank, die seit 1996 den Anspruch hat, auch eine „Wissensbank“ zu sein, für wissenschaftliche Untersuchungen aus. Deren Wirkung ist viel größer, als es der geringe Anteil an den Ausgaben vermuten lässt. Sie liegen den Programmen der Weltbank zugrunde und bestimmen die politischen Auflagen, die den Empfängerländern gemacht werden. Überdies genießt die Weltbank hohe Glaubwürdigkeit bei fast allen Entwicklungspolitikern. Umso schwerer wiegen die Vorwürfe der Wissenschaftler. Die Forscher raten der Bank dringend zur Einrichtung eines Kontrollsystems. Denn es müsse verhindert werden, dass vorläufige Thesen zu ultimativen Wahrheiten hochstilisiert werden, die anschließend die Entwicklungspolitik der Weltbank und anderer Institution prägen. NICOLA LIEBERT