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Archiv-Artikel

Wachstum jetzt auch hausgemacht

2006 entwickelte sich die Wirtschaft so rasant wie lange nicht mehr: Sie wuchs um 2,5 Prozent. Das ist nicht allein dem Export zu verdanken, sondern auch SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Denn er kurbelte die inländische Nachfrage an

von BEATE WILLMS

Nun ist es amtlich: 2006 hat die Wirtschaft in Deutschland das höchste Wachstum seit dem Boomjahr 2000 hingelegt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die Summe aller hierzulande produzierten Waren und Dienstleistungen, stieg um 2,5 Prozent. Das teilte das Statistische Bundesamt gestern mit. Vor einem Jahr hatten Experten gerade mal ein Plus von 1 bis 1,8 Prozent erwartet. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sah das langjährige Schlusslicht Deutschland deshalb schon als neue „Konjunkturlokomotive“.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hielt sich dagegen bescheiden zurück. Dabei war er es, der mit einer bei den neoklassischen Konjunkturexperten sehr unpopulären Maßnahme die Basis für das Wachstum geschaffen hatte: In seinem Haushaltsentwurf 2006 hatte er die Neuverschuldung höher angesetzt als erlaubt. Mit dem Geld kurbelte der Staat die Konjunktur an – und sorgte so selbst für Mehreinnahmen bei den Steuern. Das Kalkül ging auf. Über das Jahr gerechnet lag die Neuverschuldung schließlich nur noch bei 2 Prozent des BIP – und damit erstmals seit Jahren wieder unter den von der EU verlangten 3 Prozent.

Eine Folge dieser Politik ist, dass der Export das Wachstum nicht mehr alleine vorantreiben muss. 1,7 Prozent Wachstum wurden 2006 im Inland generiert. 0,3 Prozentpunkte trugen staatliche Konsumausgaben dazu bei, 0,4 der private Konsum und 0,9 Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen.

Letzteres ist nicht erstaunlich: Erstens profitieren die Firmen direkt von den staatlichen Ausgaben, zweitens hatten sie schon lange nicht mehr modernisiert und deshalb Nachholbedarf. Und drittens haben sie das Geld: Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stiegen auch 2006 wieder um 6,9 Prozent. Damit haben sie seit 2003 um gut 25,3 Prozent zugelegt.

Ausgeschlossen vom Wachstum waren nur die schon lange schrumpfenden Primärproduktionsbereiche Landwirtschaft und Fischerei. An der Spitze lagen das Produzierende Gewerbe mit 4,9 Prozent, die Bauwirtschaft mit 4 Prozent und Handel, Gastgewerbe und Verkehr mit 3,2 Prozent Wachstum. Dienstleister kamen auf 0,3 Prozent.

Die Arbeitnehmer profitierten noch nicht. Die Bruttolohnsumme stieg 2006 nur um 1,3 Prozent. Seit 2003 sind es 1,1 Prozent. Die Schere zu den Unternehmenseinkommen geht also immer weiter auf. Da zugleich mehr Menschen beschäftigt waren, blieben dem Einzelnen gerade mal 0,7 Prozent mehr brutto und 0,4 Prozent mehr netto. Obwohl viele Verbraucher wegen der Mehrwertsteuererhöhung ab 2007 teure Käufe auf 2006 vorzogen, stieg der private Konsum auch nur um 0,6 Prozent.

Der Bremer Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel warnt vor einem weiteren Problem: Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat die Beschäftigung direkter an Wirtschaftswachstum geknüpft. Immer mehr Arbeitsplätze werden an Leiharbeiter oder befristet vergeben. „Bei einem Abschwung sind die Beschäftigten sofort draußen“, sagt Hickel.

Da auch die Steuereinnahmen eng an die Konjunktur gekoppelt sind, scheint die Politik nun zu einer Strategie des Wachstums auf Teufel komm raus gezwungen. Hickel: „Dabei haben wir eine sich zuspitzende ökologische Krise, die ein ungehemmtes Wachstum verbietet.“