: Die zweite Exzellenz
Wer wird Elite-Uni? Im zweiten Anlauf wollen die Enttäuschten aus dem vergangenen Jahr endlich auch zu Leuchttürmen der Forschung ernannt werden
VON FLORIAN HOLLENBACH UND CHRISTIAN FÜLLER
Heute müssen Heidelbergs Akademiker zittern. Zwar ist die Ruprechts-Karls-Universität eine echte Traditionsmarke. Und wenn es eine deutsche Uni in internationale Bestenlisten schafft, was nicht oft der Fall ist, dann ist es Heidelberg – zuletzt auf Platz 45 der Times-Weltrangliste der Universitäten. Die Uni hält etwas auf ihre Weltgewandtheit. Sie hat ein Studienzentrum in Südamerika und zählt sich stolz zur League of European Research Universities.
Dennoch regiert im Heidelberger Rektorat heute bis halb vier die Angst vor dem Abstieg. Dann kommt ein Anruf aus Bonn, ob die Universität von Jaspers und Gadamer, von Helmholtz und Bunsen womöglich auch in der zweiten Runde des sogenannten Exzellenzwettbewerbs leer ausgeht. „Wir wären mit Sicherheit tief enttäuscht, das ist klar“, sagt der Rektor der Universität, Peter Hommelhoff.
Da wäre er nicht der einzige Verbitterte. In der ersten Runde der Exzellenzinitiative – oder einfacher: der Kür der Elite-Unis – waren nur drei Hochschulen ausgerufen worden: Zwei in München und eine in Karlsruhe. Sie bekommen nun einen Sonderzuschuss von 50 Millionen Euro pro Jahr. Nicht dabei aber war etwa Heidelberg, die renommierte Aachener Technische Hochschule fehlte genau wie die Humboldt-Uni in Berlin.
Überall brach Katzenjammer los. In dieser zweiten Runde bewerben sich nun noch einmal 27 Universitäten um den jährlichen 50-Millionen-Euro-Bonus. Heute gibt eine Jury in Bonn bekannt, wer in die Endauswahl der zweiten Exzellenz darf. Und wer heute nicht dabei ist, wird für viele Jahre aus dem Spiel sein – dies bedeutete für manche Unis eine mittlere Katastrophe.
„Wir würden vor allem international einen Reputationsverlust erleiden, wenn wir nicht dabei sind“, sagte der Rektor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen der taz. Das deutsche Elite-Schaulaufen wird etwa in Asien, wo der weltweit begehrteste Forschernachwuchs zu Hause ist, sehr aufmerksam beobachtet.
Die endgültige Entscheidung trifft eine Kommission aus Wissenschaftsrat und Deutscher Forschungsgemeinschaft im Oktober. Insgesamt stehen 1,9 Milliarden Euro für bis zu zehn Elite-Universitäten bereit.
Die Regularien sind kompliziert: Elite-Universität kann nur die Hochschule werden, die mindestens einen erstklassigen Forschungsschwerpunkt und eine Graduiertenschule für exzellente Nachwuchskräfte im Angebot hat. Heidelberg, Aachen, die Humboldt und die Freie Uni in Berlin sowie die Universität Bremen bieten gar viel mehr solcher Einzelprojekte an. Heidelberg etwa geht mit fünf Forschungsclustern – hochkarätige Forschungskooperationen mit außeruniversitären Partnern – und sechs Doktorandenschulen ins Rennen. Die Freie Uni Berlin hat zusammen 14 Einzelanträge angemeldet – Klotzen statt Kleckern bedeutet das. Der Präsident der FU, Dieter Lenzen, winkt ab. Das habe nichts mit Quantität zu tun, sondern zeige die ganze Breite der Qualität. Die Freie Uni hat alle Anträge vorher von externen Gutachtern prüfen lassen, ehe sie sie den Elite-Gutachtern in Bonn vorlegte.
Dennoch ist der Stress diesmal viel größer als bei der ersten Eliterunde. Die Jury hat sich bei der letzten Entscheidung als völlig unabhängig gezeigt, genauer gesagt als unberechenbar. Da wurden im letzten Moment aussichtsreich bewertete Forschungsschwerpunkte und Promotionskollegs herabgestuft – sodass es nur besagtes Dreiergrüppchen über die Ziellinie schaffte, also die TU München, die Uni München und die TU Karlsruhe. Selbst Wutausbrüche der anwesenden Wissenschaftsminister halfen da nichts. So beschwerte sich der Wissenschaftsminister aus Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann (CDU), es sei zugunsten der Universitäten im Süden getrickst worden. Aber die Auswahlkommission ließ sich nicht beirren. Sie bestand darauf, dass rein nach wissenschaftlicher Exzellenz geurteilt werde. So durfte die Politik in der ersten Eliterunde lediglich noch abnicken, was die Forschungsgutachter beschlossen hatten.
Der Südentscheid in der ersten Runde hat allerdings den Druck für die zweite Runde noch erhöht. Weil die Glücklichen bisher nur im reichen Süddeutschland liegen, wünscht man sich nun mehr Länderproporz, sprich: Der Norden will auch was abbekommen von den Elitemillionen. Ob das die Juroren beeindruckt? Selbstherrlich haben sie ihren Verkündungstermin heute auf 16 Uhr nachmittags terminiert – beinahe unerreichbar für die Samstagsausgaben der Zeitungen. Gerade so, als ginge es nicht mal die Öffentlichkeit an, wer in die engere Wahl der Elitekandidaten kommt.
Kritiklos wird der heutige Beschluss ohnehin nicht hingenommen. Es hagelte regelrecht Vorbehalte. Auch die Gutachter, so hieß es, ließen sich von anderen als wissenschaftlichen Auswahlkriterien leiten. Beispiel dafür ist Berlin. Dass die Hauptstadt Top-Unis habe, zieht die Kommission nicht in Zweifel. Sehr wohl aber, dass Berlin als finanzschwaches Land seine eigenen Förderversprechen für die Elitekandidaten einhalten könne. Ein Grund, Berlins Unis nicht zur Elite zu machen?
In der Hauptstadt schrie prompt der örtliche Tagesspiegel Skandal. Auch ein SPD-Bundestagsabgeordneter ereiferte sich über das wissenschaftsfremde Kriterium Finanzschwäche – dabei ist es sein Parteigenosse Thilo Sarrazin (SPD), der den Berliner Unis als Finanzsenator immer neue Knebelverträge aufnötigt. Jetzt sollen es 75 Millionen Euro werden, die Sarrazin aus den Hochschulen Berlins heraussparen will – gestützt von einflussreichen Gutachtern.
Selbst die Verfassungsrichter in Karlsruhe kritisierten zuletzt, Berlin gebe zu viel für Wissenschaft aus. Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) hingegen blieb kühl: Die Hauptstadt brauche eine Elite-Uni. Punkt. Ob’s klappt, wird sich heute zeigen.