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Archiv-Artikel

Gemeingut in BürgerInnenhand

Der Verein kämpft für Veröffentlichung von Geheimverträgen privatisierten öffentlichen Eigentums

 Mitmachen bei GiB

Einfach am 13. Februar alle FreundInnen schnappen, mit ihnen zum Wahllokal spazieren und jeweils ein Kreuz zur Offenlegung der Wasserverträge machen!

Im Netz:

www.wollt-ihr-wissen.de

www.gemeingut.org

… weitere Infos rund um aktuelle regionale und bundesweite Aktionen wie immer unter bewegung.taz.de – die Plattform für Veränderung!

„Beim Volksentscheid über die Wasserverträge kommt es auf jede Jastimme an“, erklärte Laura Valentukeviciute, Koordinatorin im Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB). Am 13. Februar sind alle BerlinerInnen dazu aufgerufen, über die Offenlegung der zum Großteil immer noch geheimgehaltenen Teilprivatisierungsverträge zu den Berliner Wasserbetrieben (BWB) abzustimmen. Zwar sind schon 718 Seiten dieser Verträge vom Senat veröffentlicht worden, „nur fehlen nach unseren Informationen noch zehntausende weitere“, sagte Valentukeviciute. Die Offenlegung der Verträge mit allen Beschlüssen und Nebenabreden würde eine Grundlage für eine demokratische Kontrolle und die Rekommunalisierung des Wasser schaffen. Deshalb setzt sich der Verein mit seiner Kampagne „Wollt ihr Wissen“ für die Veröffentlichung ein.

Gemeingut in BürgerInnenhand ist im Oktober 2010 aus der Attac-Gruppe PPP-Irrweg hervorgegangen, mit dem Ziel, eine permanente Struktur für den Kampf gegen Privatisierung und sogenannte Public-Private-Partnerships (kurz PPP) zu schaffen. Der bundesweit agierende Verein mit Sitz in Berlin wird von der Bewegungsstiftung gefördert, im Wesentlichen finanziert er sich jedoch aus Spendengeldern. Sieben feste Mitglieder tragen den organisatorischen und formalen Rahmen, der politische Input und die eigentlichen Aktionen kommen aus den bundesweit verstreuten Basisgruppen.

Der Widerstand gegen die PPP-Projekte, ausgehend von der Offenlegung der zugehörigen Verträge, ist die Hauptaufgabe des Vereins. PPP ist die aktuell eingesetzte Methode der Politik, um öffentliches Eigentum zu privatisieren. Hierbei beauftragt die öffentliche Hand private Investoren mit dem Bau, dem Betrieb, der Finanzierung und der Verwertung von öffentlichen Institutionen. Seit 1997 wurden in Deutschland PPP-Verträge für Autobahnen, Gefängnisse, Justizgebäude, aber auch Schulen und Krankenhäuser abgeschlossen. Die Verträge laufen in der Regel 30 Jahre, die öffentliche Hand zahlt die Miete. Der Effekt: Durch die Privatisierung scheint der Haushalt für einen kurzen Moment entlastet zu sein. „Ein Trugschluss“, sagte Carl Waßmuth, Gründungsmitglied des Vereins. So zahlten Kommunen, Länder und Bund Mieten an die Investoren, welche die eigentlichen Instandhaltungskosten bei weitem überträfen.

„Aus diesen Mietzahlungsverpflichtungen kommt man nicht mehr raus“, resümierte Waßmuth. „Da frisst dann die PPP-Miete für eine Schule so viel Geld, dass man eigentlich deswegen zwei andere Schulen dichtmachen müsste.“ Insgesamt, so schätzen er und Valentukeviciute, gebe es deutschlandweit 200 solcher Verträge, für die bei Vertragsabschluss ausnahmslos Geheimhaltung vereinbart wurde.

1999 wurde mit den Berliner Wasserverträgen der bis dato größte PPP-Vertrag Europas zwischen den BWB, dem französischen Versorger Veolia und dem deutschen RWE-Konzern abgeschlossen. Die Stadt privatisierte 49,1 Prozent der Wasserbetriebe. Der offensichtlichste Negativeffekt dieser Teilprivatisierung war eine Wasserpreissteigerung von 35 Prozent. „Damit ist Berlin eine der teuersten Städte bundesweit“, kommentierte Waßmuth. Darüber hinaus wurden 3.000 Arbeitsplätze bei den BWB abgebaut. Zwar sei eine Beeinträchtigung der Wasserqualität bisher noch nicht belegt worden, aber auch das, so fürchten die AktivistInnen, könnte sich bald ändern. So fände sich auf den bisher veröffentlichten Vertragsblättern keine klare Regelung darüber, in welchem Zustand die Rohre nach Ablauf des Vertrages zurückgegeben werden müssen. „Ein funktionierendes Rohrnetz ist die Grundvoraussetzung für eine gute Wasserqualität“, resümierte Waßmuth.

Unklarheiten wie diese will GiB durch die Offenlegung der Verträge geklärt wissen. Deshalb engagiert sich der Verein und unterstützt den Berliner Wassertisch, der das Volksbegehren gemeinsam mit dem Berliner Bündnis gegen Privatisierung initiierte. Sollte der Volksentscheid erfolgreich sein, würde der Druck auf die Politik steigen und könnte zu einer bezahlbaren Rekommunalisierung des Wassers in Berlin führen. Ein Weg zur Rückführung unter demokratische Kontrolle könnte der Erlass eines neuen Gesetzes sein, schließlich habe ein anderes Gesetz die Teilprivatisierung erst ermöglicht.

Um den Volksentscheid zu unterstützten, organisierte GiB Informationsveranstaltungen und nahm im Rahmen einer Videoaktion 25 BerlinerInnen auf, die anhand von Fragen wie „Wollt ihr wissen, was passiert, wenn Veolia Wasser, die Tochter von Veolia, Konkurs geht?“ erläutern, was die Wasserverträge bisher verheimlichen. Wer die Arbeit des Vereins unterstützen will, kann Fördermitglied werden – oder direkt beginnen, sich vor Ort zu organisieren und PPP-Projekte zu dokumentieren. Aus solchen dezentralen Infos kann GiB im Idealfall die nächste Kampagne initiieren.

Oder ganz einfach, am 13. Februar mindestens zwei FreundInnen schnappen, mit ihnen zum Wahllokal spazieren und jeweils ein Kreuz für die Offenlegung der Wasserverträge machen.

Lukas Dubro